Bundeskabinett verabschiedet Bericht zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Bundesinnenmister Seehofer spricht von Rekorden, Mieterbund übt Kritik

Das Bundeskabinett hat am gestrigen Mittwoch den von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgelegten Vierten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland und Wohngeld- und Mietenbericht 2020 verabschiedet. „Der Bericht zeigt, dass die gemeinsame Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum immer stärkere Wirkung zeigt“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums (BMI).

Der Bericht enthält folgende Schwerpunkte:

Mietenentwicklung: Im Berichtszeitraum habe sich die angespannte Lage auf den Wohnungsmärkten in einer Vielzahl von Städten und Regionen zunächst weiter fortgesetzt. Seit 2019 sei jedoch eine spürbar abnehmende Dynamik bei den Angebotsmieten festzustellen. Die deutlichste Abschwächung der Steigerungen habe sich bei Wiedervermietungen in den größten Städten ergeben – von 6,5 Prozent im Jahr 2017 auf 1,8 Prozent im Jahr 2020.

Bautätigkeit: Die Zahl der Baugenehmigungen hat sich laut des BMI 2020 auf rund 368.000 erhöht und damit gegenüber 2009 mehr als verdoppelt. Auch die Baufertigstellungen sind demnach 2020 deutlich gestiegen – auf rund 306.000 Wohnungen im Jahr 2020, soviel wie zuletzt vor 20 Jahren.  Dieser Erfolg gehe auch auf die investiven Impulse der Wohnraumoffensive, wie das Baukindergeld (rund 355.000 Anträge bis Ende April 2021), die Förderung der energetischen Gebäudesanierung und die steuerliche Förderung des frei finanzierten Mietwohnungsbaus zurück, so das Ministerium.

Sozialer Wohnungsbau: Der Bund ist in die Förderung wieder eingestiegen und stelle in dieser Legislaturperiode fünf Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Damit habe die Verringerung der Zahl an Sozialwohnungen spürbar abgebremst werden können. Die Mittel für den Sozialen Wohnungsbau wurden zuletzt im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms noch einmal aufgestockt. Für das Jahr 2022 stellt der Bund eine weitere Milliarde Euro für klimaschonenden sozialen Wohnungsbau zur Verfügung.

Wohngeld: In dieser Legislaturperiode seien drei Wohngeldverbesserungen initiiert und damit „zielgenau“ die Bezahlbarkeit des Wohnens für einkommensschwache Haushalte gesichert worden. Insgesamt hätten neun Prozent aller privaten Haushalte von einer vollständigen oder teilweisen Entlastung bei den Wohnkosten durch Wohngeld oder die Übernahme der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung profitiert. Die Ausgaben dafür betrugen laut Bericht insgesamt 17,2 Milliarden Euro in 2019.

Städtebauförderung: Die Förderung im Bereich Städtebau wurde mit 790 Millionen Euro pro Jahr über die laufende Legislaturperiode verstetigt und inhaltlich neu ausgerichtet. Damit werden auch die Herausforderungen in Angriff genommen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, heißt es aus dem BMI.

„Wir haben in den letzten Jahren ein gigantisches Wohnungsbauprogramm aufgelegt. Was wir erreicht haben, ist Rekord: Mehr Baugenehmigungen, so viele Wohnungen wie seit 20 Jahren nicht mehr, eine nie da gewesene Wohngelderhöhung“, sagte Horst Seehofer dazu. „Gerade in den Großstädten konnte der Anstieg der Mieten gebremst werden. Unsere Maßnahmen wirken!“

Während der Minister von Rekorden spricht, übt der Deutsche Mieterbund (DMB) Kritik an dem Bericht und dessen positiver Rezeption von Seiten des Ministeriums. „Auch ein weniger steigender Anstieg der Angebotsmieten ist immer noch ein Anstieg und bringt keine Entlastung auf dem Mietmarkt“, kommentiert der Präsident des Deutschen Mieterbunds (DMB), Lukas Siebenkotten, den Bericht im Vorfeld der Verabschiedung.

Die Angebotsmieten in Deutschland seien vor allem in den Großstädten und nachgefragten Ballungszentren immens hoch, so der DMB. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung müssten 49,2 Prozent der rund 8,4 Millionen Haushalte, die in Deutschlands Städten zur Miete wohnen, mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Miete (bruttowarm) zu bezahlen. „In dieser Situation von einer Entspannung auf dem Mietwohnungsmarkt zu sprechen, ist verfehlt. Auch wenn der Anstieg der bundesweiten Angebotsmieten in 2020 um rund ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, ist das kein Zeichen für eine erfolgreiche Bau- und Mietenpolitik des Bundes“, so Siebenkotten. „Es handelt sich hierbei nur um eine Durchschnittszahl aller Angebotsmieten in Deutschland, und selbst diese Durchschnittszahl steigt nach wie vor, und zwar höher als die allgemeine Preissteigerung.“

Etwa zwei Millionen Wohnungen würden laut DMB fehlen, insbesondere in den Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Von den 2019 knapp 300.000 neu gebauten Wohnungen seien weniger als ein Drittel klassische Mietwohnungen und weniger als ein Zehntel bezahlbare Sozialwohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungen sei seit Jahren dramatisch rückläufig – von 2,6 Millionen Wohnungen in 2000 auf derzeit nur noch 1,14 Millionen. Zugleich würden Bauüberhang und Baulandpreise explodieren: Die Zahl der genehmigten und noch nicht fertiggestellten Wohnungen habe 2019 mit 771.400 den höchsten Stand seit 1998 erreicht. „‘Bauen, bauen, bauen‘ allein ist eben nicht ausreichend. Es muss endlich bedarfsorientiert gebaut werden, dafür brauchen wir insbesondere Grund und Boden der bezahlbar ist und von gemeinwohlorientierten Vermieter:innen bebaut wird“, so Siebenkotten. Der vom DMB geforderte sechsjährige bundesweite Mietenstopp würde den Mieter*innen die dringend gebrauchte Verschnaufpause und der Politik die Zeit verschaffen, endlich die Weichen für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, heißt es abschließend.

Den Bericht zur Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Wohngeld und Mieten 2020 können Sie hier abrufen.

Quellen: BMI, DMB