Europas Städte brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum

Zweitägige Konferenz in Wien geht heute zu Ende.

Mehr als 70 Prozent der Europäerinnen und Europäer leben in Städten. Aber werden sie sich Wohnen im urbanen Raum künftig noch leisten können? Mieten und Immobilienpreise steigen explosionsartig, schneller als die Einkommen in den meisten EU-Mitgliedsstaaten. Nicht nur einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen sind davon betroffen. Auch Menschen aus der Mittelschicht werden aus dem urbanen Raum verdrängt, weil sie sich das Wohnen in der Stadt nicht mehr leisten können – teils mit dramatischen Folgen für die Sozialstruktur der Städte. Die Zahl an Europäerinnen und Europäern in Haushalten, die mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnkosten aufwenden müssen, steigt stetig und liegt heute bereits bei 81,5 Millionen. Das verstärkt soziale Spannungen.

Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Für viele ist damit der Weg in den sozialen Abstieg vorgezeichnet. Trotzdem stagniert der soziale Wohnungsbau in Europa: Seit der Wirtschaftskrise 2007/08 gingen die Investitionen in bezahlbares Wohnen massiv zurück. Vor allem Städte sind davon betroffen – das wiederum lässt die Mieten und Immobilienpreise steigen. Gründe für die Zurückhaltung öffentlicher und privater Investoren sind auch die Gesetzgebung, das EU-Beihilfenrecht und für Staaten, Städte, Gemeinden und Länder die europäischen Fiskalregeln.

Dieses wohl wichtigste Thema für die Zukunft der Städte Europas stand im Fokus der Internationalen Konferenz „Housing for All“ am 4. und 5. Dezember in Wien: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und seine sozialen und wirtschaftliche Folgen. Welche rechtlichen und politischen Herausforderungen gibt es, damit wieder mehr in bezahlbares Wohnen investiert wird?

Die Wege aus der Krise diskutierten Bürgermeister mehrerer europäischer Großstädte, hochrangige Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Mietervereinigungen aus mehr als 30 Ländern. Die Keynote hielt die UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha. Veranstaltet wurde die Konferenz von Wiener Wohnen im Auftrag der Stadt Wien.

Wien ist nicht zufällig Veranstaltungsort der Konferenz. Österreichs Hauptstadt gilt im internationalen Vergleich mit ihrer fast hundertjährigen Tradition im sozialen Wohnbau als Vorbild. Das „Wiener Modell“ wird weltweit als beispielgebend für erfolgreiche Wohnbaupolitik gehandelt, die für sozialen Ausgleich und gelungene Integration steht. Mehr als 60 Prozent der Wiener leben in geförderten Wohnungen oder Gemeindewohnungen. Die Stadt Wien besitzt 220.000 Wohnungen, weitere 200.000 wurden von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen errichtet. Eine gute soziale Durchmischung und ein fairer Zugang zu Wohnraum, vor allem für mittlere und niedrige Einkommen, sind Erfolgsfaktoren. Die Stadt Wien sichert 21.000 Arbeitsplätze in der Bauindustrie und der Wohnungswirtschaft. Sie trägt durch geförderte Sanierung und Energieeffizienz bei Neubauten entscheidend zum Klimaschutz bei. Zuletzt entschied die Regierung der Hauptstadt zudem, mit einer neuen Bauordnung den explodierenden Mietpreisen entgegenzuwirken.

Quelle: Deutscher Mieterbund