Die große Weltlage und die kleine 1956

Ein Blick in den Lagebericht des Vorstands und darüber hinaus.

Blick in die Vertreterversammlung der PWG 1956. Foto: PWG 1956

Will man dem Chef der IG Bau glauben, dann ist die Lage mehr als schlecht. Er meinte jüngst: „Deutschland steckt beim Bauen und Wohnen in einer noch nie dagewesenen, noch nie so schlechten Situation: in einer absoluten Ausnahmesituation.“ Ist das wirklich so? Hat Robert Feiger Recht?

Zur Wahrheit gehört, dass sich in den letzten zwei Jahren verschiedene krisenhafte Entwicklungen, die unser Leben und das Wirtschaften unserer Genossenschaft bestimmen, überlagern. Verschärft wurden sie mit hoher Dynamik durch den russischen Krieg gegen die Ukraine. Im Bericht der 1956 für das vergangene Geschäftsjahr heißt es dazu: „Das Jahr 2022 kann wirtschaftlich als schwierig und herausfordernd zusammengefasst werden. Zunächst zeigten sich noch die Auswirkungen der Coronapandemie, später kamen dazu die weltweiten Störungen in den Lieferketten und damit Schwierigkeiten in der Logistik, was wiederum im regionalen Markt in Potsdam Konsequenzen auf die Bestandsbewirtschaftung und Entwicklung nach sich zogen. Danach hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Welt und auch den Immobiliensektor massiv beeinflusst. So änderte sich seit Februar neben dem Finanzmarkt der Energiemarkt mit einem sprunghaften Preisanstieg erheblich. Die gestörten Lieferketten und starken Energiepreisanstiege führten im Jahr 2022 zu einem starken Anstieg der Inflationsrate.“

Die Lage ist tatsächlich komplex und widersprüchlich, vor allem ändert sie sich ständig und meist nicht zum Einfacheren, schon gar nicht zum Besseren. Versuchen wir zu sortieren.

Klimawandel und Investitionen

Der Klimawandel erfordert dringendes Handeln. Im Wirtschaftsbericht 2022 heißt es dazu: „Neben … lokalen Schauplätzen der Unternehmensentwicklung nimmt die Verantwortung aus unserem Generationsauftrag als Unternehmen sowie jedes Einzelnen für sich zu, gerade in Zeiten politischen Phlegmas. Weltweit mahnen Kompetenzen, verweisen auf Klimaentwicklungen und deren Folgen, die Gefahren für Flora, Fauna und Mensch mit seinem Hab und Gut, geändert wird wenig. Wenn die Möglichkeiten der Genossenschaft mit ihrem regionalen Wirkungskreis im Verhältnis gesehen auch begrenzt sind, wird dem Engagement für Klimaschutz und Umweltschutz immer breiterer Raum eingeräumt.“ Die Bundesregierung forciert die Energiewende und versucht, der Wohnungswirtschaft, mithin den Bewohnern der Gebäude, große Lasten aufzubürden. Nunmehr muss investiert werden, schnell und in erheblichen Größenordnungen. Das hat Einfluss auf Bewirtschaftung, Entwicklung und bisherige Finanzplanungen. Ergo sind Planungen zu prüfen und ganz sicher auch zu modifizieren.

Ziel bleibt es, dem Klimawandel auf der ganzen Breite unserer Möglichkeiten zu begegnen. Der Bericht zum Wirtschaftsjahr 2022 fasst zusammen: „Demzufolge widmen wir uns nicht nur klimatischen sowie ökologischen Projekten, für bunteren Freiraum mit einem Mehr an Biodiversität, arbeiten auf Basis der CO2-Bilanz parallel an nachhaltigen klimarelevanten Handlungszielen der Genossenschaft, für die nachhaltige Bewirtschaftung und Entwicklung von Wohnungen und Gebäuden. Dazu gehören neben den Klassikern, wie Rahmenbedingungen der Infrastruktur für E-Mobilität, Photovoltaik, bauphysikalische Verbesserungen, noch bessere Effizienz der Haustechnik auch persönliche Veränderungen, mit regionalen Produkten.“

Energiepreise verteuern das Wohnen

Die Verteuerung der Energie trifft jeden Bewohner, alle Dienstleistungen, Gewerke und Industriezweige. Sie alle brauchen und verbrauchen Energie, alle müssen mehr für Energie ausgeben. Der Preisauftrieb bei Energie hat alle anderen Preise befeuert und eine hohe Inflation in Gang gesetzt. Sie führt nicht nur zu einer weiteren Verteuerung von Materialien, technischen Einrichtungen und Technologien, sondern – und das völlig zu Recht – zu einem Anstieg der Löhne.

All diese Entwicklungen treiben die Preise für Instandhaltung, Instandsetzung, Verwaltung und Bewirtschaftung unserer Gebäude nach oben. Die Folge: Unsere Kosten steigen, was sich auf die Betriebskosten auswirken wird, ebenso auf die Nutzungsgebühren. Eher über kurz als über lang werden wir für das Wohnen mehr bezahlen müssen. Der Bericht für das Geschäftsjahr prognostiziert: „Drastisch steigende Energiepreise erhöhen unmittelbar die Bruttowarmmiete und gefährden damit die Zahlungsfähigkeit einzelner Mieter. Hieraus könnten sich höhere Erlösausfälle ergeben. Zudem könnte der Krieg zu Versorgungsengpässen bei der Energieversorgung führen, bis hin zur mindestens teilweise fehlenden Versorgung mit Heizwärme und Warmwasser.“

Bestandserhalt

Trotz der gestiegenen Kosten für Instandhaltung und Instandsetzungen ist die Genossenschaft ihren Selbstverpflichtungen zum Bestandserhalt treu geblieben. Im Bericht für das letzte Wirtschaftsjahr heißt es: „Ungeachtet der widrigen Bedingungen 2022 … wurden die geplanten Maßnahmen zur Bestandserhaltung im Sinne von Satzung, Nachhaltigkeit und Bedarf weitestgehend realisiert. Darüber hinaus wurde weiterhin an der Weichenstellung gearbeitet für die Verbesserung der Bedingungen im Interesse des genossenschaftlichen Zweckes in Potsdam und über die Stadtgrenzen hinaus, so in Bergholz-Rehbrücke oder Saarmund. Inwieweit sich derartige Entwicklungen im Sinne heutiger und künftiger Bewohner, des Generationsauftrages sowie von Nachhaltigkeit für Wohnungen, Gemeinschafts- und Folgeeinrichtungen nutzen bzw. umsetzen lassen, bleibt abzuwarten, in Anbetracht des Marktes und unseres eigenen Bedarfes auf jeden Fall sinnvoll.“

Führung durch die Baustelle im Block III. Foto: Constance Kniep

Steigende Zinsen

Und es wird noch diffiziler: Wohngebäude baut man weltweit mit Hilfe von Bankkrediten. Auch bebaute Grundstücke erwirbt man in der Regel mit Hilfe von Geldinstituten. Im Gefolge der Inflation stiegen und steigen die Zinsen in einem seit Jahren unbekannten Maße. Und das nach einer jahrelangen Niedrigzinsphase. „In Folge der steigenden Inflation wurde der Leitzins durch die EZB in mehreren Schritten erhöht, was mit einem erheblichen Anstieg der Bauzinsen einher geht. So liegt der Zins für Baudarlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren Anfang 2023 bei rund 4,0 %, was die Wirtschaftlichkeit von Investitionen erheblich verringert.“

Für die Zukunft: „In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt, bewahrheitet hat sich aber die prognostizierte Erhöhung des Zinsniveaus, insofern beobachten wir den Kapitalmarkt kritisch und reagieren mit unserer Finanzierungspolitik entsprechend. Diese Tendenz zu insgesamt verschlechterten Finanzierungsbedingungen wird verstärkt durch die Geschehnisse in der Ukraine sowie die stringente Herangehensweise der Banken betreffend der Beleihungswerte unserer Objekte.“ Inzwischen ist das Bauen so teuer, dass private Unternehmen auf den Wohnungsbau verzichten. Kostendeckende Mieten gelten als am Markt nicht realisierbar.

Genossenschaftsauftrag gilt auch in schwierigen Zeiten

Was bedeuten die Entwicklungen am Finanzmarkt für uns? Um es salopp zu sagen: Die fetten Jahre sind vorbei. Auch für uns wird das Bauen teurer, auch wir werden unsere Planungen überdenken, korrigieren und strecken müssen. Ungeachtet dessen gilt aber der genossenschaftliche Auftrag: Der Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder, vorrangig durch eine gute und sichere Wohnungsversorgung und -bewirtschaftung. Dazu errichtet und bewirtschaftet sie Wohnungen und Gebäude. Das werden wir auch weiter tun. Im Bericht des Vorstandes zum Geschäftsjahr 2022 heißt es: „Krieg, Zustrom an Flüchtlingen und Zuzug setzen den Wohnungsmarkt in den Ballungsräumen unter Druck, aufgrund der wirtschaftlichen Verwerfungen überproportional in dem niedrigpreisigen Segment. Hier liegt eine besondere Stärke der Genossenschaft. Dem folgend werden wir uns gezielt an Bauvorhaben im kostengünstigen Wohnungsbau, z.B. seriellem Bauen, beteiligen.“ Die Genossenschaft sorgt dann für moderne Wohnungen und Wohnformen. Sie spielt hier faktisch einen Wettbewerbsvorteil aus, erfüllt sie doch Kriterien schon seit langem und verfügt über notwendige Erfahrungen. So kann sie hier aktiv auf soziodemografische Entwicklungen mit ihren Veränderungen in der Haushaltsstruktur, die sich auch in bestehenden Quartieren bestätigen, reagieren.

Dies setzt eine aktive Finanzierungsstrategie der Genossenschaft voraus: „Aus den geplanten umfangreichen Investitionen … wird in den Folgejahren Bedarf an Fremdfinanzierungen resultieren. Beabsichtigt ist, neben einer weiteren Akquisition von Spareinlagen möglichst zinsgünstige KfW-Darlehen, Landesförderungen sowie alternativ zinsgünstige Bankdarlehen in Anspruch zu nehmen, auch im Hinblick darauf die Diversifikation der Kapitalgeber fortzusetzen. Dies geschieht insbesondere durch die Erhöhung des Anteils der Spareinlagen am Gesamtfinanzierungsbedarf der Genossenschaft, aber auch durch neue Bankpartner. Hierbei wirken die Spareinlagen auch bei steigenden Zinsen kostensenkend und stabilisierend.“

Schaffen wir das?

„Zusammenfassend ist festzustellen, die Herausforderungen der Zukunft betreffen alle Bereiche, neben internen wie externen auch persönliche, ob nun mit Stadtentwicklung und Städtebau, Architektur, Energiegewinnung und -verbrauch, Verkehr, Freiraumentwicklung oder der sozialen Infrastruktur. Die aktive Zusammenarbeit bietet die Möglichkeit einer hohen Wohn- und Lebensqualität, ergänzt um eine Vielfalt an Bildungs-, Arbeits- und Wohnungsangeboten, bedarfsgerechter Infrastruktur und diskriminierungsfreien Lebensbedingungen.“

Begründetes Selbstbewusstsein

Was kann uns sicher machen, dass wir die komplexen Problemlagen lösen werden und aus dem Strudel der krisenhaften Entwicklungen gestärkt hervorgehen werden?

Erstens: Genossenschaft ist das Krisenbewältigungsmodell schlechthin. Immer dann, wenn die größte Wohnungsnot herrschte, erfuhren Genossenschaften eine Blütezeit. Das war ab Ende des 19. Jahrhunderts so, in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre und ab Mitte der 50er Jahre in der DDR. Der Grund war nicht etwa, dass Krisen und Wohnungsnot günstige Rahmenbedingungen für Genossenschaften schaffen, sondern umgekehrt: Das Geschäftsmodell der Genossenschaften ist ein probates Mittel, um Krisen zu beherrschen und zu bewältigen.

Zweitens: Die aktuelle Krise ist nicht die erste, die die 1956 gemeistert hat und meistern wird. Der Übergang aus der sozialistischen Planwirtschaft in die marktwirtschaftliche Realität war eine herausfordernde wirtschaftliche, soziale und finanzielle Sturzgeburt, die mit vielen hohen Risiken verbunden war. Auch die wirtschaftliche Lage der „Baugenossenschaft Vaterland“ zu Beginn der 2000er Jahre hatte etwas Krisenhaftes und war – wie auch die Verschmelzung mit der 1956 selbst – eine für alle Beteiligten couragierte Entscheidung. Diese und weitere Erfahrungen zeigen: Die 1956 kann Krisen.

Drittens: Die 1956 ist gut aufgestellt, besser sogar als andere. Das Portfolio ist durch kontinuierliche Bewirtschaftung, Zukauf und Neubau gut entwickelt. Die Spareinrichtung – ein Alleinstellungsmerkmal in der Region – sichert uns auf Dauer Zugang zu niedrigen Kapitalkosten. Beides sind strukturelle Fundamente eines krisensicheren Wirtschaftens.

Und schließlich viertens: Eine gute wirtschaftliche Bilanz. Der Bericht resümiert: „Auch für das Geschäftsjahr 2022 ist insgesamt, trotz Ukraine-Krieg, Zinsschock, Energiekrise, Lieferengpässen, massiv steigender Preise beispielsweise für Energie und Nahrungsmittel, Fachkräftemangel und der andauernden, wenn auch im Jahresverlauf nachlassenden Corona-Pandemie, eine positive Bilanz zu ziehen. So bilden positives Jahresergebnis, weitere Grundstückskäufe sowie die umfangreichen Investitionen in den Bestand eine gute Grundlage, um auch zukünftig qualitativ gute Wohnungen sozial verträglich anzubieten.“ Und: „Die Vermögenslage, die Finanzlage und die Ertragslage sind geordnet. Für die Zukunft hat unsere Genossenschaft eine stabile Basis, auch die Liquidität sehen wir langfristig als gesichert an.“

Wir haben also die allerbesten Voraussetzungen, um durch die Krisen und Turbulenzen zu kommen. Es versteht sich von selbst, dass uns das nicht geschenkt wird, sondern gemeinsames, kluges und flexibles Handeln verlangt.

Quelle: Informationen der Genossenschaft Ausgabe 3-2023