Neues „Wa(a)gnis“ in der Potsdamer Mitte

Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ weiht Am Alten Markt ein neues Kunstwerk ein

Das neu eingeweihte Kunstwerk „Karl Marx“ am neugebauten Haus der WG „Karl Marx“ am Alten Markt. Foto: Stefan Gloede

Das „Wa(a)gnis“ des Berliner Künstlers Wolf von Waldow schmückt seit Mitte März das von der Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG errichte Wohn- und Geschäftshaus Alter Markt 6. Die zeitgenössische Interpretation des historischen Vorbildes ist Schmuck und Statement zugleich. Die Arbeit war im Ergebnis eines Wettbewerbes im Jahre 2018 aus acht Arbeiten ausgewählt worden. Sie bezeichnete den Entwurf als eine „nicht zu übertreffende Metapher“.

Im Beisein von rund 50 Gästen hat der Vorstand der Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG am 21. März das Kunstwerk „Wa(a)gnis“ an der Fassade des neu errichteten Gebäudes Alter Markt 6 in der Potsdamer Mitte enthüllt. Es handelt sich dabei um einen Fries über dem Eingang des Hauses und eine Figurengruppe auf dem Dach. Das Kunstwerk hat der Berliner Künstler Wolf von Waldow geschaffen. Es wurde aus lasergeschnittenem Stahl unter Verwendung eines Abgusses eines Fragmentes des ursprünglichen Fassadenschmuckes aus Sandstein gefertigt.

Die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG baut im sogenannten Block III der Potsdamer Mitte mehrere Gebäude, darunter das am Alter Markt 6. Aus dem Leitbautenkonzept heraus wurden Gestaltanforderungen an das neu zu errichtende Gebäude gestellt, insbesondere an die Fassadengestaltung. Das ursprüngliche Gebäude schmückten Figuren aus Sandstein. Für diese entschloss sich die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG in einem Wettbewerb nach einer Rekonstruktion, einem Zitat oder einer Interpretation zu suchen. Aus dem Wettbewerb ging das nun vorgestellte Kunstwerk – eine zeitgenössische Interpretation – hervor.

Der Künstler Wolf von Waldow vor seinem „Wa(a)gnis“ am Alten Markt. Foto: Stefan Gloede

Das Kunstwerk wirkt wie ein Scherenschnitt und rückt damit sehr deutlich von dem Sandsteinfiguren ab, die das Vorgängerhaus einst schmückte. Was zeigt es? Eine Figur, die den Überfluss verkörpert, schüttet Gaben über die Stadt aus. Wir sehen Obst, ein Schiff, Pflanzen, Tiere, aber auch ein Gewehr. Die neben ihn sitzende Figur geht bei der Ausschüttung leer aus. Sie wirkt verzweifelt. Wolf von Waldow deutet die Szenerie: „Überfluss auf der einen Seite bedeutet Mangel auf der anderen. Er ist Ausdruck eines Ungleichgewichts.“

Zwei Etagen tiefer, in dem über dem Eingang angebrachten Fries, hantieren Menschen mit den Gaben, die von oben kommen. Vielleicht entzückt, auf jeden Fall selbstvergessen bemerken sie nicht, dass in ihrer Mitte längst ein Brand ausgebrochen ist. Unter Beobachtung eines Kameramanns versucht eine Figur den Brand mit einem vertrockneten Baum zu löschen (oder anzufeuern?), während sich eine andere Figur schon auf die Flucht begeben hat, um den Ort zu verlassen. Wolf von Waldow will nach eigenem Bekunden zeigen, was passiert, wenn die Gesellschaft „alle ihre Waren verschwendet, ohne sich um die Verteilung zu kümmern.“ Und so erkennt der Betrachter Vereinzelung, das Fehlen von Gemeinschaft und Verantwortungsgefühl, den Brand, Sensationsgier, Flucht.

Bei der feierlichen Einweihung des Werkes hob Bodo Jablonowski, Vorstand der Genossenschaft, hervor: „Das Kunstwerk führt Historisches und aktuelle politische und gesellschaftliche Inhalte zusammen. Es ist ein Beitrag zum aktuellen gesellschaftlichen Diskurs. Die Botschaft trägt aber auch universellen Charakter und wird nachfolgende Generationen noch genauso inspirieren.“ Sebastian Krause, Technischer Vorstand der Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG ergänzt: „Der Künstler hat die ursprüngliche Figurengruppe aus Sandstein in eine fast schwerelose Silhouette übersetzt. Das ist ein Glücksfall für Potsdam, weil es einen solch lockeren und leichten Umgang mit dem Erbe sonst nur selten in der Stadt vorkommt. Das ist auch genial, weil jeder die Darstellung versteht.“

Die Wettbewerbsjury, die seinerzeit diese Arbeit aus acht verschiedenen Wettbewerbsbeiträgen auswählte, hob hervor: „Das Gestaltungsmittel des Scherenschnitts erfreut durch seine Leichtigkeit, Frische und Vielfältigkeit. Die feingliedrigen Elemente lassen erwarten, dass Betrachter immer wieder Neues entdecken können.“ Auch inhaltlich hatte die Arbeit die Jury überzeugt: „Die Verwandlung des Füllhorns und des Tränentuchs in das Bild der ungleichen, globalen Verteilung ist eine nicht zu übertreffende bildliche Metapher.“

Zur Jury des Wettbewerbs, der schon 2018 stattfand, gehörten neben Vertretern der Genossenschaft die Künstlerinnen Renate Wolff und Anette Paul, Verantwortliche der Landeshauptstadt, wie der damalige Fachbereichsleiter Stadtplanung und Stadterneuerung Andreas Goetzmann und Mitarbeiter des Sanierungsträgers Potsdam, wie der Stadtplaner Andreas Schleicher. Die Jury eröffnete ihr im November 2018 protokolliertes Urteil zum Entwurf von Wolf von Waldow mit den Worten: „Wunderbar! Das ist es, was unsere Stadt Potsdam braucht.“

Hintergrund:

Die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam eG errichtet im sogenannten Block III der Potsdamer Mitte fünf Gebäude.

Wohnraum

  • 46 Wohnungen: 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen von 27,8 bis 140,5 m²
  • alle Wohnungen mit Aufzug erreichbar
  • 33 barrierefrei, 8 eingeschränkt barrierefrei
  • 13 Wohnungen belegungsgebunden und alle anderen Wohnungen mietpreisgebunden

Nutzungsentgelte/Mieten

  • 5,50 € (1. Förderweg)
  • 7,00 € (2. Förderweg)
  • 10,50 € (10 % unter Mietspiegel)

Gewerbe

  • 6 Gewerbeeinheiten mit insgesamt ca. 1.500 m² Mietfläche 80 bis 550 m²
  • Gewerbemieten: zw. 20 – 30 €/m² kalt

Kosten

  • Gesamtkosten Kostengruppe 200 – 700 ca. 25 Mio. €