Etwas mit Zahlen

Ausbildung bei GEWOBA und ProPotsdam damals und heute

Petra Seide und Sophie Kalmutzke. Foto: Benjamin Maltry

Petra Seide begann ihre Ausbildung bei der GEWOBA vor fünf Jahrzehnten, Sophie Kalmutzke vor zweieinhalb Jahren. Während die Ältere viele Jahre stürmischer Veränderungen miterlebt und mitgestaltet hat, ist die Jüngere noch dabei, ihren Berufswunsch wahrzumachen. Während Sophie gerade ihren ersten Abschluss vorbereitet, hat Petra Seide gelernt, dass das Lernen nie aufhört. Zwischen ihren Erfahrungen liegen Welten, ein Systemwechsel, Jahrzehnte des Wandels des Unternehmens und des Werdens der Stadt. Der EINSVIER gewährten die beiden Frauen einen Einblick in ihre Sicht auf das Unternehmen und in das Innenleben der ProPotsdam.

Eigentlich wollte Petra Seide Stewardess werden. Aber dafür war sie zu klein. Um „etwas mit Sprachen“ machen zu können, fehlte ihr der „sozialistische Hintergrund“, erzählt sie. Eher zufällig erfuhr die damals 16-Jährige, dass beim Volkseigenen Betrieb Gebäudewirtschaft Potsdam etwas frei war. Sie bewarb sich und begann am 1. September 1973 ihre Berufsausbildung. Zum „Wirtschaftskaufmann“, wie es in ihrem mit Schreibmaschine getippten Ausbildungsvertrag steht.

Sophie Kalmutzke hat knapp fünf Jahrzehnte später ihre Ausbildung bei der ProPotsdam begonnen, im August 2021. In ihrem Vertrag steht „Immobilienkauffrau“. Sie sagt, dass sie schon immer etwas mit Wohnen machen wollte. Bereits als Kind habe sie sich gerne die TV-Sendung „mieten, kaufen, wohnen“ angesehen. Und: „Auch in der Schule fand ich Themen wie Mietrecht sehr interessant. Weil es so viele betrifft.“

Manuelle Rechnungsbücher und Instagram

Seit zweieinhalb Jahren ist Sophie inzwischen bei der ProPotsdam: „Es gibt einen Rahmenplan, der bestimmt, was wir in welcher Abteilung lernen. Es besteht immer die Möglichkeit, ein Thema zu vertiefen oder länger in einer Abteilung zu bleiben, wenn einen etwas besonders interessiert. Wir werden ermutigt, Initiative zu zeigen, uns mit eigenen Inhalten einzubringen und Fragen zu stellen“, berichtet sie.

So einen Ausbildungsplan gab es auch schon zu ihrer Zeit, erinnert sich Petra Seide: „Aber uns hat damals niemand gefragt, was wir gerne machen würden oder was uns vielleicht liegt.“ Man wurde in eine Abteilung gesetzt und dann blieb man da. Es wirkt fast wie eine Entschuldigung, als sie hinzufügt: „Aber das war ja damals ein ganz anderes Unternehmen.“ In ihren Anfangsjahren wurde im Rechnungswesen noch manuell gearbeitet, berichtet sie: „Die Rechnungsbücher wurden ausschließlich per Hand geschrieben und die Zahlen mit einfachen Rechenhilfen überprüft.“ Computer? Die kamen mit der Wende oder erst danach: „In der Nachbarabteilung standen zu Anfang drei, vielleicht vier Computer. Wenn wir an ihnen arbeiten wollten, mussten wir uns vorher anmelden.“

Die 25 Auszubildenden bei der ProPotsdam haben einen eigenen Instagram-Kanal, um den sich auch Sophie kümmert: „Wir stellen die Abteilungen vor und gewähren einen Blick hinter die Kulissen. Für die Homepage der ProPotsdam drehen wir Videos, in denen wir die einzelnen Berufe vorstellen“, berichtet Sophie. Der Kontakt zwischen den Auszubildenden sei gut, man tausche sich aus, treffe sich in den Mittagspausen zum gemeinsamen Essen oder bei einem der vielen Projekte. Etwa beim Probetraining mit Nachwuchstalent Nils Fuhrmann vom Handballverein 1. VfL Potsdam. „Das hat super viel Spaß gemacht“, erzählt die junge Frau strahlend. Jeden Dienstag sind sie und die anderen Auszubildenden bei der Potsdamer Tafel, um zu helfen.

Dabeigeblieben und verändert

Petra Seide war nie Azubi oder Azubine. Zu ihrer Zeit hieß das noch Lehrling. Zwei Jahre dauerte die Lehre, die sie mit sehr guten Ergebnissen abschloss. Danach wurde sie direkt übernommen und arbeitete in der Finanzbuchhaltung. Später absolvierte sie dann doch noch ein Studium: vier Jahre an der Fachschule für Finanzwirtschaft in Gotha. Nebenberuflich lernte sie alles, was man seinerzeit über Wirtschafts- und Finanzwissenschaften wissen konnte.

Jetzt ist sie 50 Jahre im Unternehmen. Vielleicht waren die ersten Jahre eher ruhig, aber dann veränderte die Wende so ziemlich alles. Im September 1990 wurde aus der Gebäudewirtschaft Potsdam die GEWOBA, aus dem VEB eine GmbH. Über Nacht galten neue Regeln für alles. Zwar rechnete man immer noch wie früher, galten Plus und Minus systemneutral, aber abgerechnet wurde anders. Es folgten der schmerzhafte Prozess der Anpassung der Mieten, die Einführung der Betriebskostenabrechnung, hunderte Fälle von Rückübertragungen, von denen einzelne Jahrzehnte brauchten. Die ersten Sanierungen, erste Neubauten. Verkäufe von Wohnhäusern, um Liquidität und Investitionskraft zu sichern. Der Wandel vom Verwalter zum dienstleistungs- und kundenorientierten Versorger. Und schließlich die Gründung der ProPotsdam im Jahre 2006.

Alle damit einhergehenden Veränderungen im Unternehmen hat Petra Seide unmittelbar miterlebt. „Das war eine aufregende Zeit“, findet sie heute. Massenweise Entlassungen, so wie in manch anderem Unternehmen nach der Wende, habe es nicht gegeben. Einige Kolleg*innen verabschiedeten sich trotzdem, in andere Branchen, auch in den Westen. Zurückblickend meint sie: „Ich bin froh, dass ich dageblieben bin.“

Wie aus dem Nichts und mittendrin

Sophie Kalmutzke kennt das alles nur vom Hörensagen. Sie lernt mit der ProPotsdam ein großes, modernes und gut aufgestelltes Wohnungsunternehmen kennen. In ihrer Ausbildung macht sie sich mit allen Facetten des Firmenverbundes bekannt. Von der Betreuung der Mieter*innen, der Bewirtschaftung der Wohngebäude, dem Neubau von bezahlbaren Wohnungen bis hin zu den Herausforderungen großer Stadtentwicklungsprojekte wie in Krampnitz. Gerade letzteres empfindet sie als etwas Besonders: „Die ProPotsdam gestaltet die Stadt mit. Und wir Auszubildende sind mittendrin.“

Petra Seide sieht das ähnlich: „Es ist schon unglaublich, wie sich Potsdam gewandelt hat“, meint sie. „Zum Beispiel das Bornstedter Feld: Ich kenne es ja noch, als die sowjetischen Truppen hier waren. Und plötzlich steht da wie aus dem Nichts ein komplett neues Wohngebiet.“ Es sei spannend, die Entwicklung nicht nur als Potsdamerin, sondern auch als Mitarbeiterin des Unternehmens mitzuerleben. In DDR-Zeiten habe das Unternehmen nicht selbst gebaut. Der Volkseigene Betrieb konnte schon wegen des chronischen Materialmangels kaum eigene Projekte auf den Weg bringen. Allein die Instandhaltung der Wohngebäude war schwierig. Jetzt baut die ProPotsdam nicht nur Wohnungen, sondern ganze Viertel wie das an der Heinrich-Mann-Allee, Schulen, Kitas und Sporthallen. Ihr Kommentar: „Die GEWOBA und später auch die ProPotsdam haben die Veränderungen gut gemeistert.“

Gewohnt wird immer

Sophie macht im kommenden Jahr ihren Abschluss. Danach möchte sie in ihrem Beruf arbeiten. „Ich habe hier nicht nur viel gelernt, ich bin auch sehr gerne hier.“ Später, so überlegt sie, würde sie vielleicht noch einmal studieren. Dies wäre heute auch bei der ProPotsdam möglich, die Wirtschaftsinformatik und Technisches Facility Management als Duales Studium anbietet. Sie denkt, dass ihr Beruf Zukunft hat, die Wohnungswirtschaft eine sichere Branche ist: „Gewohnt wird immer“, sagt Sophie schmunzelnd.

Petra Seide hatte gerade ihr 50. Betriebsjubiläum. An einem der letzten warmen Sommernachmittage wurde das vor der Zentrale des Unternehmensverbundes in der Pappelallee gefeiert. Mit dabei waren viele Kolleg*innen, langjährige wie neue, darunter auch Sophie Kalmutzke. Die Geschäftsführer waren gekommen, aber auch ehemalige Vorgesetzte. „Ich weiß ja nicht, ob es so etwas wie Schicksal gibt. Als junger Mensch hätte ich mir nie vorstellen können, einen Beruf auszuüben, der etwas mit Zahlen zu tun hat. Und plötzlich merkt man, dass man doch ein Faible dafür hat“, sagt sie strahlend. Heute sei sie glücklich mit ihrem Berufsweg. Und der Traum von der Arbeit als Stewardess? „Ich war ja nicht nur zu klein. Später stellte sich auch heraus, dass ich Flugangst habe“, gesteht sie lachend.

Quelle: EINSVIER