Gewoba eG Babelsberg unterzeichnet offenen Brief an OB Schubert und Kämmerer Exner

Die Gewoba eG Babelsberg hat einen Offenen Brief an Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert und den Stadtkämmerer und Bürgermeister Burkhard Exner mitunterzeichnet. Wir dokumentieren den Wortlaut:
„Die Stadt Potsdam muss jetzt in eine zukunftsfähige und bezahlbare Wärmeversorgung investieren.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schubert, sehr geehrter Herr Bürgermeister Exner,
wir schreiben Ihnen heute, weil wir zutiefst besorgt sind über Ihr Vorhaben, die technisch zwingend notwendige Erneuerung des Potsdamer Kraftwerkparks und die EU- und bundesgesetzlich geforderte Umsetzung einer klimaneutralen Wärmeversorgung ‚in die Länge [zu] ziehen‘ (PNN 02.10.24). Sie riskieren damit nachweislich die Sicherung einer bezahlbaren und zukunftssicheren Wärmeversorgung für die Potsdamer Bürger:innen und nehmen wissentlich signifikant steigende Nebenkosten für Mieterinnen und Mieter in Potsdam in Kauf (PNN 26.09.24, PNN 10.10.24). Das besondere Potential der tiefen Geothermie in Potsdam stellt eine technisch und finanziell attraktive Chance dar, die Sie jetzt ergreifen müssen.
Im Januar 2024 haben die Abgeordneten der Stadtverordnetenversammlung (SVV) den wegweisenden SVV-Antrag zur Dekarbonisierung der Energie und Wasser GmbH Potsdam (EWP) mit großer Mehrheit beschlossen und die Stadt dazu verpflichtet, die Strom- und Wärmeerzeugung im Stadtgebiet bis ‚2035 sozialverträglich fossilfrei‘ zu gestalten. Die EWP hatte Ihnen bereits zu diesem Zeitpunkt tragfähige Konzepte vorgelegt, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei kann sie heute noch auf Bundesmittel mit Förderquoten von bis zu 80 % zurückgreifen.
In den letzten Monaten hören wir immer wieder Aussagen Ihrerseits, dass Lösungen für die Finanzierung der Wärmewende in Potsdam auf Hochtouren gesucht werden. Wir Bürger:innen erwarten, dass Sie nun, neun Monate nach dem relevanten SVV-Beschluss, Ergebnisse hierzu vorlegen.
Welche Möglichkeiten haben Sie wie geprüft? Welche Vor- und Nachteile liegen für die verschiedenen Optionen (Eigenkapitalaufstockung durch einen Kredit, durch eine Bürgschaft, durch ein Darlehen, oder durch Thesaurierung) vor?
Der Bankenworkshop im Juni 2024, bei dem mehrere Banken, Versorger und die EWP teilnahmen, ergab: Die für die Stadt günstigste Variante ist die Aufnahme eines Kredits mit dem Ziel das Eigenkapital der EWP um 40 Mio. EUR aufzustocken. Ermöglicht werden mit dieser Summe Investitionen von ca. 350 Mio. EUR durch die EWP, die den technisch zwingend notwendigen Ersatz der ersten Turbine des Heizkraftwerks Süd (die bis 2030 das Ende ihrer Lebensdauer erreicht) garantieren. Die gesamte Kreditsumme inklusive Verzinsung wird an die Stadt zurückgezahlt werden. In weiteren etwa fünf Jahrzehnten Laufzeit kann mit hohen Gewinnen aus den Geothermieanlagen der EWP gerechnet werden, die für weitere Aufgaben der Stadt genutzt werden können. Das bedeutet eine enorme Eigenkapitalrendite.
Ein solcher (überschaubarer) Kredit kann selbst bei schlechter Haushaltslage von der Kommunalaufsicht genehmigt werden, da es sich um rentable, sich selbst tragende Investitionen in Zukunftstechnologien handelt.
Wieso wird dies abgestritten?
Die real vorliegenden Möglichkeiten, die die Stadt zur Finanzierung hat, stehen in starkem Kontrast zu Ihrer zögerlichen Haltung und (der Auflistung und) dem Gegeneinander-Ausspielen notwendiger anderer Investitionen in Potsdam.
Ein von Ihnen ins Spiel gebrachter möglicher Streckbetrieb des Heizkraftwerks Süd löst die grundsätzliche Problematik nicht. Im Gegenteil: wie im Hauptausschuss am 2.10.2024 von der EWP ausgeführt, führt diese Strategie der Verzögerung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu signifikant höheren Kosten und dem Verlust von Fördermitteln in dreistelliger Millionenhöhe bei einem erhöhten technischen Ausfallrisiko, das heißt dem Risiko kalter Heizungen.
Mit welcher Berechtigung muten Sie den Potsdamer Bürger:innen dieses Risiko zu?
Ihr Vorschlag eines neuen wasserstoffbetriebenen Heizkraftwerks irritiert uns. Sie ignorieren dabei nicht nur die absehbare Preisentwicklung und zu erwartenden Mehrkosten für Kund:innen, sondern auch, dass Wasserstoff laut Expert:innen selbst nach 2035 nicht für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehen wird. Diese Aussage ignoriert auch, dass eine inzwischen veraltete Dekarbonisierungsstrategie der EWP genau diese Option vorsah. In der aktuellen Dekarbonisierungsstrategie der EWP spielt ein Wasserstoffkraftwerk aufgrund der überlegenen technischen Potentiale Potsdams (allen voran die tiefe Geothermie) und nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Notwendigkeiten keine Rolle mehr. Wie rechtfertigen Sie ein Ignorieren der Entwicklungen und Erkenntnisse der letzten zwei Jahre?
Wir Bürger:innen nehmen diese Art der Verzögerung auch als eine Missachtung des demokratischen Beschlusses der SVV wahr. Nicht zuletzt war auch die notwendige Kapitalaufstockung zu diesem Zeitpunkt allen bekannt und stellt keine Überraschung dar.
Sehr geehrter Herr Schubert, sehr geehrter Herr Exner, wir fordern Sie hiermit auf, den Weg für die Finanzierung der in der SVV beschlossenen, finanziell rentablen und technisch umsetzbaren Dekarbonisierungsstrategie der EWP nicht zu blockieren. Eine Finanzierungszusage einer Bank über die 280 Mio. € an die EWP liegt vor. Auch die e.dis hat verbindlich bestätigt ihren Anteil am Eigenkapital einzubringen. Nun muss auch die Stadt als Gesellschafterin ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge gerecht werden und die notwendigen Eigenmittel aufstellen. Bitte investieren Sie JETZT in eine jahrzehntelang preisstabile Wärmeversorgung und sozialverträgliche Mieten für Potsdams Bürger:innen.
Unterzeichnende Organisationen und Unternehmen: PotsdamZero, Tschüss Erdgas!, BraVo Wärmewende, Mieterverein Potsdam und Umgebung e. V., Energie Forum Potsdam e. V., Gewoba eG Babelsberg, Scientists for Future Potsdam, Parents for Future Potsdam, Wir fahren zusammen Potsdam (Bündnis von Fridays for Future und ver.di), Potsdam – Stadt für alle, Potsdamer Solarverein e. V., Baugruppe Gärtnerhof GbR, Naturwind Potsdam GmbH, Potsdam, Zukunft Grüne Gase Brandenburg GmbH, Potsdam, SYNLIFT Industrial Products GmbH & Co. KG, Potsdam, IfEU Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umwelttechnik mbH, Potsdam
Unterzeichnende Einzelpersonen: Prof. Dr. Ursula Gaedke, Dr. Anne Ulrich, Nicolai Lorenz-Meyer, Franziska Lagg, Nora Lust, Dr. Georg Lösel, Andreas Walter, Perry Rudolph, Dr. Tobias Pilz, Wolfgang Ellermann, Luca Reinhold, Dr. Katharina Schmidt, Gerda Ruiter, Erik Jaek, Holger und Cathrin Gringmuth-Dallmer, Annette Reinhold, Martina Böhme, Helmut Mayer, Achim Christophersen, Andreas Hoffmann“
Den Offenen Brief finden Sie hier im Original.