Die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft eG friert ihre Mieten ein. Die Redaktion von StadtSpuren.com sprach mit den Vorständen über die Beweggründe.
Bis 2023 wird die pbg die Nutzungsentgelte für ihre Mitglieder nicht erhöhen. Gleichzeitig verpflichtet sich die Genossenschaft, Sanierungs- und Modernisierungsumlagen moderat zu handhaben und bei der Festlegung der Höhe der Mieten von Neubauten darauf zu achten, dass sie für eine breite Schicht der Mitglieder bezahlbar sind. All das geht auf ein Mietenkonzept zurück, das Aufsichtsrat und Vorstand der Genossenschaft beschlossen haben und am 1. Juli in Kraft tritt.
Die Redaktion von StadtSpuren.com sprach mit den Vorständen der Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft eG, Marcus Korschow und Christof Harms-Spentza, über diese ungewöhnlichen Selbstverpflichtungen.
Allenthalben steigen die Mieten, Sie treten jetzt auf die Bremse und wollen fünf Jahre ihre Nutzungsentgelte nicht erhöhen. Was ist denn mit Ihnen los?
Christof Harms-Spentza: Unserer Genossenschaft geht es gut, wir stehen auf soliden Fundamenten. Wir haben errechnet, dass wir in den kommenden Jahren mit den laufenden Einnahmen auskommen. Es gibt also keinen Grund, die Nutzungsentgelte anzuheben. Unser Auftrag ist die Wohnungsversorgung, nicht die Gewinnmaximierung.
Marcus Korschow: In den letzten zehn Jahren haben wir 75 % der Nettokaltmieten in unseren Gebäudebestand investiert. Unser umfangreiches Investitionsprogramm, das energetische, technische und gestalterische Aufgaben umfasst, haben wir fast abgearbeitet, so dass in naher Zukunft kein größerer Investitionsbedarf in Sicht ist.
Warum kommt dieses Mietenmoratorium gerade jetzt?
Marcus Korschow: Wir wollen unseren Mitgliedern Sicherheit geben. Überall steigen die Mieten und überall wird zum Teil heftig diskutiert, wie man dieser Entwicklung Einhalt gebieten kann. Maßnahmen, die der Staat angekündigt oder ergriffen hat, zeigen bislang keine Wirkung. Dies alles beunruhigt die Menschen sorgt für Verunsicherungen. In dieser Situation sagen wir: Liebe Mitglieder, in eurer Genossenschaft habt ihr nicht zu befürchten.
Christof Harms-Spentza: Wir haben in der Vergangenheit solide gewirtschaftet, sind keine Risiken eingegangen und stehen als Unternehmen sehr gut da. An dieser positiven wirtschaftlichen Situation sollen unsere Mitglieder teilhaben, zum einen durch eine gute Wohnqualität, zum anderen durch eine angemessene Entwicklung der Wohnkosten.
Erst einmal für fünf Jahre. Und dann?
Christof Harms-Spentza: Dann werden unsere Nutzungsentgelte immer noch niedriger sein als die Durchschnittsmieten. Derzeit beträgt unsere durchschnittliche Nettokaltmiete 5,65 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche monatlich. Zurzeit bedeutet das für unsere Mitglieder, dass ihre Wohnkosten etwa 90 Cent pro Quadratmeter und Monat unter dem stadtweiten Durchschnitt liegen. Ende 2023 wird der Unterschied mehr als 1,50 Euro sein. Dabei setzen wir voraus, dass die Mieten in der Stadt nur moderat steigen. Bleibt die Kostenentwicklung so erhitzt, wie sie derzeit ist, dann wird der Unterschied zugunsten unserer Mitglieder noch größer sein.
1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat unter dem Durchschnitt bedeutet: Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung müssen bei der pbg mehr als 1.000 Euro weniger aufgebracht werden als sonst in der Stadt.
Marcus Korschow: Selbst wenn wir nach 2023 die Nutzungsentgelte erhöhen, wird der Anstieg viel geringer ausfallen. Hier sind wir an die Regelungen des § 558 BGB gebunden. Im Ergebnis werden unsere Nutzungsentgelte langsamer ansteigen und der Unterschied wird auf Dauer unseren Mitgliedern zugutekommen. Es geht also nicht nur um Sicherheit in den nächsten fünf Jahren.
Ein Durchschnitt ist ja nur ein statistischer Wert. Wenn die Durchschnittsmiete der pbg derzeit bei 5,65 Euro liegt, bedeutet das, dass manche Mitglieder auf Dauer 4 Euro, andere wiederum 10 Euro pro Quadratmeter und Monat zahlen. Ist das nicht ungleich verteilt?
Christof Harms-Spentza: Wir haben vor einigen Jahren festgestellt, dass wir eine starke Spreizung zwischen unseren Nutzungsentgelten haben. Die einen Mitglieder haben mehr für die gleich große Wohnung bezahlt als andere. Das haben wir seinerzeit bewertet als eine Ungleichheit zwischen den Mitgliedern, die nicht den solidarischen Prinzipien einer Genossenschaft entspricht. Daraufhin haben wir in den letzten Jahren die Miethöhen fallkonkret so verändert, dass unsere Mitglieder heute für gleichen Komfort auch ein annähernd gleich hohes Nutzungsentgelt zahlen. Diese Anpassung ist fast beendet, lediglich bei einigen Dutzend Wohnungen sind die Nutzungsentgelte noch nicht im Gleichklang, das werden wir aber in den nächsten Monaten in Ordnung bringen.
Heute liegen etwa 20 % unserer Nutzungsentgelte zwischen 6 und 7 Euro, für jede zehnte Wohnung sind pro Quadratmeter und Monat weniger als 5 Euro aufzubringen. Die überwiegende Zahl unserer Wohnungen, 2/3 des Bestandes, hat Mieten zwischen 5 und 6 Euro. Lediglich für 3,7 % unserer Wohnungen sind Entgelte über 7 Euro zu zahlen. Nicht eine unserer Wohnungen, auch nicht in den Neubauten, kostet pro Quadratmeter und Monat 10 Euro oder mehr.
Ist das Mietenkonzept der pbg so etwas wie ein selbst auferlegter Mietendeckel?
Christof Harms-Spentza: Das ist kein Mietendeckel. Das ist kaufmännische Vernunft und verantwortungsvolles Handeln gegenüber unseren Mitgliedern. Warum sollten wir von unseren Mitgliedern mehr Geld verlangen als es notwendig ist?
Aber es ist doch interessant, dass die pbg in einem Moment ihre Mieten einfriert, da in Berlin heftig um den Mietendeckel gestritten wird. Kann man das nicht doch als klare Positionierung verstehen?
Christof Harms-Spentza: Das ist eine klare Positionierung: Wir sind eine Genossenschaft und dem Wohl unserer Mitglieder verpflichtet. Um deren Wohnqualität zu sichern, müssen wir nicht die Mieten erhöhen.
Marcus Korschow: Was den Mietendeckel in Berlin und anderswo betrifft: Ein staatlich verordneter Mietendeckel mag kurzfristig den Mietenanstieg verlangsamen, langfristig untergräbt er die wirtschaftliche Stabilität von Genossenschaften und gefährdet die Wohnqualität von hunderttausenden Genossenschaftsmitgliedern. Solchen Genossenschaften, die nicht in so einer günstigen Situation sind wie wir, die weniger Eigenkapital haben oder die noch sanieren müssen oder in Neubauvorhaben stecken, kann der Mietendeckel ernsthafte Probleme bereiten. Was da passiert, ist nicht nachhaltig und sozial ist es auch nicht.
Was wäre denn nachhaltig und sozial?
Christof Harms-Spentza: Die Antwort ist nicht neu, die gibt es seit 150 Jahren: Genossenschaften sind nachhaltig und sozial. Sie funktionieren nach solidarischen Prinzipien jenseits des Zwanges zur Gewinnmaximierung.
Marcus Korschow: Um den Wohnungsmarkt zu entlasten und der Preistreiberei zu begegnen, braucht es jetzt massenhaften Neubau bezahlbarer Wohnungen, geeigneter und brauchbarer Förderinstrumente des Staates für den sozialen Wohnungsbau und für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen und eine aktive Unterstützung der sozialen Wohnungswirtschaft durch das Land und den Bund, zum Beispiel durch die Bereitstellung von geeigneten und bezahlbaren Grundstücken.
Christof Harms-Spentza: Wir sind der Auffassung, dass die aktuelle Wohnungsnot als eine Aufgabe verstanden werden muss, die Bund, Länder, Kommunen und die soziale Wohnungswirtschaft gemeinsam lösen müssen. Wenn wir gemeinsam handeln, dann wird es gelingen, aus der Krise herauszukommen. Pauschale Mietendeckel sind Maßnahmen, die die eine Seite der anderen auferlegt, das ist eher ein Gegeneinander und hat wenig mit einer gemeinsamen Krisenbewältigung zu tun.
Die wirtschaftliche Situation ist gut, wenn auch die Aussichten nicht mehr ganz so rosig scheinen wie noch vor einem Jahr. Die politische Situation ist bewegt, die Politik findet jede Woche ein neues wohnungspolitisches Thema nachdem ihr jahrelang dazu nichts eingefallen ist. Was wenn sich die politischen, juristischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern? Wie lange können Sie dann Ihr neues Mietenkonzept aufrechterhalten?
Christof Harms-Spentza: Natürlich werden wir die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen beachten und gut im Auge behalten. Sollten sie sich in einem Maße verändern, dass es gravierende Auswirkungen auf unsere wirtschaftlichen Verhältnisse und unsere Leistungsfähigkeit hat, werden wir erneut eine Anpassung des Mietenkonzeptes beschließen müssen. Das gehört zu einem ordentlichen und verantwortlichen Wirtschaften dazu.
Sie nannten vorhin den Neubau als eine Voraussetzung für die Bewältigung der Krise auf dem Wohnungsmarkt. Wie hält es die pbg damit?
Marcus Korschow: Wir bemühen uns seit Jahren darum, neue Projekte anzuschieben, scheitern aber immer wieder an der Höhe der Grundstückspreise. Wir haben uns in den letzten Jahren an fast allen Ausschreibungen der Landeshauptstadt Potsdam beteiligt oder eine Beteiligung geprüft. Überall, wo die Vergabe von Grundstücken nach Höchstgebot erfolgt oder anteilig von der Höhe des angebotenen Kaufpreises abhängig gemacht wird, haben wir keine Chance, sozialen Wohnungsbau zu errichten. Hier muss ein Umdenken her: Wenn die Kommune sozial verpflichteten Wohnungsbau haben will, dann muss sie enger mit der sozialen Wohnungswirtschaft zusammenarbeiten.
Es gibt seit dem vergangenen Jahr eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Landeshauptstadt und der sozialen Wohnungswirtschaft zur Sicherung der sozialen Wohnraumversorgung. Macht sich die schon bemerkbar?
Christof Harms-Spentza: Die Umsetzung dieser Vereinbarung steckt noch in den Kinderschuhen. Da sitzen auch noch nicht alle im Boot, die mitrudern müssten.
Gesetzt den Fall, Ihre Genossenschaft beginnt 2021 mit dem Neubau von Wohnungen. Welche Auswirkungen hätte das auf Ihr Mietenkonzept?
Christof Harms-Spentza: Sicherung der Wohnqualität unserer Mitglieder und Neubau von Wohnungen für unsere Mitglieder – das sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide Seiten haben wir bei der Erarbeitung des Mietenkonzept bedacht.
Marcus Korschow: Mit anderen Worten: Wir könnten beginnen, ohne eine der Selbstverpflichtungen unseres Mietkonzeptes widerrufen zu müssen.
Danke für das Gespräch.