GEWOBA und WG „Karl Marx“ nehmen Stellung
Auf Bitten der Stadt haben GEWOBA und die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam dem Kulturamt zeitweilig eine möblierte Wohnung kostenlos für den Schriftsteller Andreas Maier zur Verfügung gestellt. Maier erhält von der Stadt ein Literaturstipendium und soll während seiner Zeit als Stipendiat in der Waldstadt II wohnen.
Inzwischen soll sich Maier zu seiner zeitweiligen Residenz in Potsdam geäußert haben. Er wird zitiert mit dem Hinweis, dass man Stipendiaten in der Regel in einem Schloss, in einer Villa an der Ostsee oder in einem aufgearbeiteten Bauernhaus, nicht aber in der „Platte“ wohnen lassen würde. Die Unterbringung in der Waldstadt würde das Stipendium zu einem „soziologischen Experiment“ machen. Allerdings könne sich der Schriftsteller durchaus vorstellen, in der angebotenen Wohnung zu leben. Er sei in der Lage, sich auf „absurde Orte“ einzulassen. Soweit die Pressemeldung.
Da weder die GEWOBA noch die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ für Schlösser verantwortlich sind, tut es ihnen leid, Herrn Maier nicht beherbergen zu können. Für Schlösser sind andere Stellen in Potsdam verantwortlich, ebenso für absurde Orte und soziologische Fallstudien.
Die vom Kulturamt einberufene Jury, die Herrn Maier ausgesucht hat, hat sich dem Vernehmen nach ebenfalls gegen die Unterbringung des Stipendiaten in der Waldstadt II geäußert. Die Unterbringung könnte der Stadt „nachgerade zur Unehre gereichen“ soll es in einem Brief an Oberbürgermeister Jann Jakobs heißen. Der solle nun für eine „adäquate Unterbringung in der Innenstadt“ sorgen, „auch im Hinblick auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas.“
Hoffentlich sehen die Briefschreiber die Tatsache der Ehrenrührung nur für den schreibenden Hessen als gegeben an, nicht auch für die rund 50.000 Potsdamer, die in industriell gefertigten Wohnungen leben. Oder nehmen die vielleicht alle an einem soziologischen Großversuch teil?
Sollten diese Potsdamer nun noch alle „im Hinblick auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas“ in der Innenstadt untergebracht werden müssen, würde es dort eng werden. Andererseits: Warum sollten für die Mieter im Stern andere Maßstäbe gelten als für Literaturstipendiaten?