Der Jüdische Friedhof unweit der Kolonie Alexandrowka ist ein einzigartiges Zeugnis.
Gemeinsam mit der Expertin Anke Geißler-Grünberg ging die EINSVIER-Redakteurin Sarah Stoffers bei einem Spaziergang vor Ort auf Spurensuche.
Selbst viele gebürtige Potsdamerinnen und Potsdamer kennen die malerisch gelegene Grabanlage am Südhang des Pfingstbergs nicht. Dabei lohnt der geschichtsträchtige Ort unbedingt für einen Besuch. Mit seinen mehr als 500 historischen Grabmälern ist die Anlage ein einzigartiges Zeugnis jüdischer Kultur. Insgesamt beherbergt die Anlage etwa 900 Grabstätten. „Der Jüdische Friedhof in Potsdam ist der größte in ganz Brandenburg und zugleich sehr gut erhalten“, sagt Anke Geißler-Grünberg. „Er wird noch heute für Bestattungen genutzt. Anhand der Grabmäler und der Grabsteine können wir Aussagen über die Entwicklung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft treffen. Etwa über den Wandel bei den Bestattungsformen.“
Beginn mit der ersten Gemeinde
Die Historikerin und Judaistin hat sich intensiv mit der Geschichte der Grabanlage auseinandergesetzt. Vor eineinhalb Jahren erschien ihr zweiteiliger Band „Jüdischer Friedhof Potsdam. Dokumentation – Geschichte – Erinnerungsort“. Zudem ist sie Mitglied des Fördervereins Jüdischer Friedhof Potsdam und führt regelmäßig Interessierte über das Gelände. Für die Rundgänge erhielt der Verein in 2022 den Jurypreis des ProPotsdam-Förderwettbewerbs „ProPotsdam – Gemeinsam für Potsdam“ in der Kategorie Kunst & Kultur. Bereits seit Ende des 17. Jahrhunderts lebten Jüdinnen und Juden in der Stadt. Ihre Toten ließen sie zunächst in Berlin bestatten. Dies änderte sich, als sich um das Jahr 1740 die erste jüdische Gemeinde in Potsdam gründete. „Im Jahr 1743 erhielt sie mittels Schenkung ein knapp 4000 Quadratmeter großes Grundstück am Fuße des heutigen Pfingstbergs“, erzählt Anke Geißler-Grünberg. Nach mehreren Erweiterungen ist der heutige Friedhof rund 9.300 Quadratmeter groß.
Ein Haus für die Ewigkeit
Welch besondere Bedeutung die Friedhöfe in der jüdischen Religion haben, lässt sich an den Namen ablesen: „Haus des Lebens“ oder „Haus der Ewigkeit“, im Jiddischen wird der Friedhof auch als „Guter Ort“ bezeichnet. Die Gräber müssen für alle Zeiten bestehen bleiben. Eingeebnet oder neubelegt werden, wie in der christlichen Kultur, dürfen sie nicht. Dies beruht auf dem Glauben an die Auferstehung „am Ende der Tage“. „Das Grab und die Erde, in der sie liegen, gehören für immer dem Toten“, erklärt die Expertin. Der Jüdische Friedhof wurde bereits 1977 in die Denkmalliste der Stadt Potsdam aufgenommen, seit 1999 ist die Anlage Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Eines der Glanzlichter ist die Trauerhalle. Sie wurde um 1910 gebaut. Unterhalb befindet sich der Taharabereich, in dem die Verstorbenen für die Bestattung rituell gewaschen und vorbereitet werden.
Für die Zukunft erhalten
Ein Teil des Glasaufsatzes am Dach der Trauerhalle ist derzeit beschädigt. Der Förderverein möchte ihn ersetzen lassen, sammelt dafür Spenden. Dafür konnten der Verein und die Jüdische Gemeinde Potsdam einen namhaften Unterstützer finden: den Star-Violinisten Daniel Hope. Der gebürtige Südafrikaner ist durch seine Familiengeschichte mit der Stadt und dem Jüdischen Friedhof verbunden. Einer seiner Vorfahren ist Michel Hirsch – der erste Rabbiner Potsdams.
Da die jüdischen Gemeinden in den vergangenen Jahren angewachsen sind, wird der Friedhof bald komplett belegt sein. Die Stadt stimmte bereits einer Erweiterung zu. Doch das dafür vorgesehene anliegende Grundstück ist teuer. Auch hier hoffen die Gemeinden und der Förderverein auf Unterstützung, damit der einzigartige historische Ort auch in Zukunft erhalten bleibt und als wichtiger kultureller Ort genutzt werden kann.
Die nächsten Führungen finden am 7. Juli, 8. September und 6. Oktober jeweils um 11 Uhr statt. Treffpunkt ist an der Puschkinallee 18. Für den Rundgang ist festes Schuhwerk erforderlich, Herren benötigen eine Kopfbedeckung. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Um Spenden wird gebeten.
Quelle: EINSVIER