PNN greifen Studie des Sozialwissenschaftlers Marcel Helbig auf

Die räumliche Trennung zwischen Arm und Reich bleibt in Potsdam im Vergleich zum Rest des Bundesgebiets stark. Doch ausgerechnet der angespannte Mietmarkt könnte die soziale Mischung aufweichen. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Hinter den Fassaden. Zur Ungleichverteilung von Armut, Reichtum, Bildung und Ethnie in den deutschen Städten“. Sie wurde von den PNN aufgegriffen.
Autor ist der Prof. Dr. Marcel Helbig. Er veröffentlichte das Papier 2023 am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Es untersucht die Ungleichheit in den 153 größten deutschen Städten anhand von Daten der Kommunalstatistik und der Bundesagentur für Arbeit. Bei einem Ranking der sogenannten Armutssegregation landete Potsdam 2021 bundesweit auf Platz elf. Betrachtet man nur die Armutssegregation von Kindern, sogar auf Platz sechs. Bei der Zunahme der Segregation zwischen 2005 und 2021 belegt Potsdam einen Spitzenplatz.
„In vielen ostdeutschen Städten ist diese bauliche Trennung auch eine Folge der großen Plattenbaugebiete“, erläuterte der Wissenschaftler gegenüber den PNN. In Potsdam gelte das also beispielsweise am Schlaatz, in Drewitz und am Stern, folgert das Blatt. Nach dem Bau galten die Gebiete als modern und gut ausgestattet. Doch ab Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahren folgte die Abwanderung in Einfamilien- oder Reihenhaussiedlungen oder in die nach und nach sanierten Innenstädte. Nach Einführung von Hartz IV 2005 habe sich eine Art Automatismus entwickelt, durch den Sozialleistungsempfänger in Plattenbauten gezogen seien. Zwischen 2014 und 2016 seien viele Menschen mit Fluchthintergrund hinzugezogen.
Die Kommunen könnten die Entwicklung nur bedingt steuern, sage Helbig. „Realistischere Vorschläge ist eine attraktivere Gestaltung der Großwohnsiedlungen, indem man in die Schulen investiert, die Freizeitqualität erhöht und die Häuser saniert“, so der Wissenschaftler. Dies sei in Potsdam mit dem Umbau von Drewitz zur Gartenstadt bereits erfolgt und solle mit dem Projekt Schlaatz 2030 noch weiter umgesetzt werden.
Die Studie benenne noch eine weitere Besonderheit. In Potsdam seien nicht nur Arm und Reich geografisch getrennt, sondern auch hohe und niedrige Bildungsschichten. Das sei auch mit der Positionierung als Wissenschaftsstandort zu erklären. „Die Akademiker ballen sich im Zentrum und in Zentrumsnähe“, beschreibe Helbig.
Die Studie beobachte einen weiteren Effekt, der für Potsdam relevant werden dürfte. „Ein angespannter Mietmarkt, der einerseits ein soziales Problem darstellt, führt andererseits zu einer stärkeren sozialen Durchmischung.“ Wenn die Leerstandsquote extrem niedrig und Wohnraum sehr knapp sei, hätten auch die mittleren und oberen Schichten keine Wahl mehr. Das heißt, wenn selbst die Mittelschicht keine bezahlbare Wohnung in der Innenstadt, in Potsdam-West oder dem Bornstedter Feld mehr findet, ziehen mehr von ihnen in die Plattenbauviertel. „Ich gehe davon aus, dass in Potsdam die Schere eher wieder zugehen wird“, sagt Helbig.
Die komplette Studie finden Sie hier.