Transformation urbaner Räume durch Gemeinschaftlichkeit

Fachtagung zu Gemeinschaftliche Wohnformen für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung

Für die Studie „Gemeinschaftlich Wohnen in Potsdam“ wurden 1004 Potsdamer Bürger repräsentativ befragt. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) luden zur Abschlusskonferenz des Forschungsprojekts ins Begegnungszentrum oskar. in Drewitz ein. Die Untersuchungsergebnisse zeigten eine verbesserte Kommunikation unter den Bewohnern in gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Dies mache sich unter anderem bei der gegenseitigen Unterstützung bemerkbar. Vorteile ergeben sich auch aus ökonomischer Sicht. So sei das Einsparpotential bei Nettokaltmieten und Betriebskosten erheblich. Positiv fiele auch die Ökobilanz aus. So liege der Verbrauch von Heizwärme und Warmwasser unter dem Durchschnitt.

44 Prozent der Befragten zeigten Interesse an einer gemeinschaftlichen Wohnform, förderte die Studie zutage. Verlässlichkeit, Stabilität und die Senkung der Wohnkosten wurden als wesentliche Aspekte des gemeinsamen Wohnens genannt. Dem gegenüber stünden die möglichen Gründe, die Befragte daran hindern könnten, in gemeinschaftlichen Wohnprojekten zu leben. 43 Prozent sagten, sie fänden keine passenden Immobilien und Grundstücke. Weitere 42 Prozent beklagten, dass es keine passenden Projekte gebe.

Die Mehrheit sprach sich für die Unterstützung von gemeinschaftlichem Wohnen durch die Landeshauptstadt Potsdam aus, so die Studie. Sie solle unter anderem mehr Informationen bereitstellen, geeignete Grundstücke zur Verfügung stellen und die ProPotsdam beauftragen, entsprechende Angebote zu schaffen.

Die Abschlusskonferenz diente zum einen der Vermittlung der Ergebnisse, zum anderen sollten aber auch Impulse für die weitere Entwicklung des Themas gesetzt werden.

Potsdamer Baudezernent Bernd Rubelt sprach sich dort für gemeinschaftliche Wohnformen aus. Dabei gehe es nicht nur darum, auf die Forderungen der Befragten aus der Studie einzugehen, sondern auch die Herausforderungen zu bewältigen, die sich der Landeshauptstadt angesichts des Bevölkerungswachstums stellten. Potsdam besitze wenig Grundeigentum und habe daher nur wenig Flächenpotentiale, um weitere Grundstücke für Wohnraum zu erschließen. Hinzu käme, dass ein grenzenloses Wachstum in die Breite ebenso unangebracht scheine, wolle man die Kulturlandschaft erhalten. Erfolgsfaktoren für einen sinnvollen Umgang mit den Herausforderungen seien unter anderem ein aktives Flächenmanagement, aber auch die Kommunikation und Kooperation mit den relevanten Akteuren. Insbesondere bei der Entwicklung des neuen Stadtteils Krampnitz gebe es geeignete Potentiale, gemeinschaftliche Wohnformen in die Planungen miteinzubeziehen. Die Unternehmen des Arbeitskreises StadtSpuren seien wichtige Partner bei der Entwicklung bezahlbaren und gemeinschaftlichen Wohnens.

Laura Weißmüller, Architekturkritikerin der „Süddeutschen Zeitung“, schilderte anhand von Fallbeispielen die Chancen und Möglichkeiten gemeinschaftlichen Wohnens für eine vielfältige und lebendige Stadtgesellschaft. Eine Vielzahl von sich überlagernden Nutzungen in einem Gebäude schafften Potentiale, die Umgebung und die Nutzer miteinander im Quartier durch verschiedene Arbeits-, Freizeit- oder Gemeinschaftsangebote zu verbinden. Statt einer Nutzungstrennung, die dazu führe, dass Gebäude die Hälfte des Tages leer und ungenutzt dastünden, sollen Gebäude zu Multitasking-Orten werden, so Weißmüller. Das „Integrative Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt“ (IBeB) in Berlin sei ein gutes Beispiel, in dem dieser Ansatz verfolgt würde. Zunehmend spalte sich die Gesellschaft, Mieten würden immer teurer, die Herausforderungen des Klimawandels stiegen stetig und der soziale Frieden sei gefährdet. In gemeinschaftlichen Wohnformen liege die Chance, eine positive Antwort auf all diese Herausforderungen zu geben. Der Versiegelung und dem hohen Verbrauch von Flächen könnten entgegengewirkt werden, wenn Nutzungen wie Wohnen, Arbeit, aber auch Freizeit miteinander verbunden würden, wie beispielsweise in Wien im Wohnpark Alt-Erlaa.

Auch das stetig wachsende Verkehrsaufkommen könnte tendenziell gesenkt werden. Pendelwege würden sich praktisch auflösen. Dies sei aber nicht nur mit der Mischung von Nutzungen realisierbar. Es brauche eine gemeinschaftlich und gesellschaftlich orientierte Grundstücks- und Neubauentwicklung. Statt der Entwicklung von Gebäuden durch renditeorientierte Unternehmen, die nur ein Ziel, nämlich die Erwirtschaftung von Renditen, verfolgten, brauche es neue Akteure. Dabei müssten Anwohner und Stadtgesellschaft selbst entwickeln, gestalten und teilhaben. Nur dann, so plädierte Weißmüller, könnten soziale und gesellschaftliche Herausforderungen bewältigt werden.

Dafür brauche es auch eine vorausschauende Bodenpolitik. Bereits 1972 habe der damalige Bundesbauminister und ehemalige Münchner Oberbürgermeister Hans-Joachim Vogel in seinem Beitrag „Bodenrecht und Stadtentwicklung“ darauf hingewiesen, dass der Boden kein reproduzierbares Gut sei und der Marktmechanismus lediglich zu Spekulation auf den Boden führe. Daher fordere sie die Grundstücksvergabe nach Konzept anstelle von Höchstgebot, sagte die Journalistin. Weiter brauche es Konzeptvergabeverfahren, die auf architektonische Vorleistungen der Bewerber verzichte. Oftmals forderten Gemeinden bereits bei der Bewerbung auf ein Grundstück eine komplette architektonische Planung. Die daraus entstehende finanzielle Belastung werde gerade für kleinere, soziale Bewerber oft zur Hürde, die es unmöglich mache, überhaupt an dem Verfahren teilzunehmen.

In Tübingen werde eine offenere Konzeptvergabe bereits praktiziert, berichtete Cord Soehlke, Baubürgermeister der Universitätsstadt. Tübingen vertraue bei seiner Konzeptvergabe vor allem auf eine kleinteilige Parzellierung der zu vergebenen Flächen und auf Vielfältigkeit. Statt auf ein anspruchsvolles architektonisches Konzept und die Bewertung durch eine Punktematrix setze seine Stadt auf offene Fragen und eine Entscheidung durch ein legitimiertes, aus Experten und Gemeindevertretern bestehendes fachübergreifendes Gremium. Dies fördere nicht nur die beidseitige Flexibilität, sondern gebe Raum für Kreativität und eine heterogene Akteursstruktur. „Das ein oder andere hässliche Haus müsse man in Kauf nehmen“, räumte Soehlke ein. Jedoch ließe sich das aus seiner Sicht gut aushalten.

Die Podiumsdiskussion schloss an vielen dieser Themen an.

Podiumsdiskussion zu “ Welchen Beitrag können gemeinschaftliche Wohnformen leisten?“ (v.l.): Dr. Barbara König (Genossenschaftforum e.V., Berlin), Cordula Fay (GdW), Bernd Rubelt (Landeshauptstadt Potsdam), Julia Diringer (Difu), Birgit Kasper (Netzwerk Gemeinschaftliches Wohnen) und Ricarda Pätzold (Difu)

In Potsdam sei die Stadtverwaltung gerade dabei, eine neue Leitlinie für die Vergabe von Grundstücken auch nach Konzeptvergabe zu erarbeiten. Jedoch brauche es „politische Unterstützung und nach den letzten Diskussionen der Stadtverordneten wurde entschieden, dass sowohl das Konzeptverfahren als auch das Höchstgebotsverfahren bei Grundstücksverkäufen angewandt werden soll. Eine klare Botschaft ist das nicht“, erklärte Erik Wolfram vom Bereich Stadtentwicklung.

Wolle man durch Verfahren künftig bessere Verbindungen zwischen Wohnformen und Quartiersentwicklung herstellen, brauche es bessere Kooperationen mit den Akteuren. Sie müssten untereinander zudem besser vernetzt seien. Dazu sei aus heutiger Sicht noch einiges nötig. Zum einen brauche es die Entwicklung von Kooperationsstandards, um Entwicklungsprozesse effizienter und kürzer gestalten zu können. Zum anderen brauche es aber auch eine Beratungsstruktur für all diejenigen, die Interesse hätten, sich beispielsweise in gemeinschaftlichen Projekten zu engagieren. Die angespannte Marktsituation führe viele Akteure zu ungeahnter Kreativität aufgrund von Ressourcenmangel. Doch die Nischen, in denen sie sich bewegen könnten, würden zunehmend enger.

„Kommunale Wohnungsunternehmen haben es nicht unbedingt einfach, wollen sie sich an gemeinschaftlichen Wohnprojekte beteiligen“, berichtet Gregor Heilmann von der ProPotsdam. Denn Ansprüche gemeinschaftlichen Wohnens stünden oft im Widerspruch zu den Auflagen, denen kommunale Wohnungsunternehmen folgen müssten, um Wohnraum mit Belegungsbindungen zur Verfügung stellen zu können. Die ProPotsdam unterhalte momentan zwei gemeinschaftliche Wohnprojekte in der Landeshauptstadt, so Heilmann. Das sei zum einen das Mietwohnprojekt „Konvoi“ im Bornstedter Feld und zum anderen das Projekt „Freude an Gemeinschaft“ in der Gartenstadt Drewitz. Hinzu kämen weitere Formen der Kooperation wie beispielsweise im Arbeitskreis StadtSpuren, aber auch mit dem Mieterclub oder dem Friedrich-Reinsch-Haus im Schlaatz.

Quelle: u.a. IZT, Fachtagung

Foto: Josephine Braun