„Stadtwende“ zeigt Widerstand gegen Verfall

Neue Sonderausstellung zu Baupolitik und Bürger*innen-Engagement in der DDR 1989.

Studierendenprotest gegen Abrisspolitik in Potsdam, Dortustraße im Oktober 1989. Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Foto: Walter Wawra, 26.10.1989

Die als Wanderausstellung konzipierte Dokumentation, die nun Station im Potsdam macht, gibt Einblicke in zentrale Erkenntnisse eines vierjährigen Forschungsprojektes der Technischen Universität Kaiserslautern in Kooperation mit der Bauhaus Universität Weimar, dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner und der Uni Kassel, das vom Bundesforschungsministerium finanziert wurde. Das Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte zeigt „Stadtwende“ vom morgigen Samstag bis einschließlich 12. Februar 2023.

„Bröckelnde Fassaden, einstürzende Dächer, Leerstand und schließlich der Abbruch zahlreicher Altbauten – wer 40 Jahre oder älter ist, erinnert sich noch gut an den desolaten Zustand zahlreiche Innenstädte der DDR am Ende der 1980er Jahre“, erläutert Kurator Prof. Dr.-Ing. Holger Schmidt von der TU Kaiserslautern. „Die Ausstellung veranschaulicht, wie es so weit kommen konnte – aber auch, was dagegen unternommen wurde.“

In einem einführenden Ausstellungsteil werden die Hintergründe, Prioritäten und Fehlentwicklungen von Städtebau und planwirtschaftlicher Baupolitik als DDR-weites Phänomen dargestellt, das durchaus den vorherrschenden städtebaulichen Leitbildern der europäischen Nachkriegsära entsprach. Für die acht ostdeutschen Städte, in denen die Ausstellung gezeigt wird, wurden in enger Kooperation mit den örtlichen Museen, Leihgebern und Zeitzeug*innen stadtspezifische Module der Bau- und Stadtgeschichte zwischen Wiederaufbau und Wendezeit entwickelt.

Am Beispiel Potsdams zeigt sich exemplarisch, wie sich in der DDR am Ende der 1980er Jahren Widerstand gegen die einseitig ausgerichtete Baupolitik der Machthaber formierte. Zunächst in Form von Eingabebriefen, später als Arbeitsgruppen unter dem Dach des DDR-Kulturbunds oder der Kirche. Auf diese Weise entstanden in Potsdam 1988 Bürgergruppen wie „ARGUS“ oder die „Arbeitsgemeinschaft Pfingstberg“, die immer offener gegen Denkmalverfall und Abrisspolitik opponierten und für eine erhaltende Stadterneuerung eintraten. „Diese oppositionelle Initiativen führten in Potsdam eine ‚Stadtwende‘ herbei. Damit haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass neben den Schlössern und Gärten auch die Altstadt erhalten und später saniert werden konnte“, betont die Kulturbeigeordnete Noosha Aubel.

Die Ausstellung bettet die Geschehnisse der Wendezeit in einen Rückblick auf die wichtigsten Etappen in der Potsdamer Stadtentwicklung nach 1945 ein. Dabei werden die Entwicklungen erst verständlich vor dem Hintergrund der baupolitischen Weichenstellungen der DDR-Nachkriegsära. Hier kann die Ausstellung mit einer Reihe bisher unveröffentlichter Fotografien, Plänen und Dokumente aufwarten.

Wenig bekannt ist beispielsweise, dass es in der DDR schon früh wegweisende Ansätze für eine bestandsorientierte Stadterneuerung gab. Ein Beispiel dafür ist die umfassende Sanierung der Brandenburger Straße (damals Klement-Gottwald-Straße) zwischen 1975 und 1978 im Zuge ihrer Umgestaltung zur Fußgängerzone. Die Potsdamer*innen nannten sie scherzhaft „Broadway“.

„Wir freuen uns, dieses bewegte Kapitel in der jüngeren Potsdamer Stadtgeschichte erstmals derart umfassend darstellen zu können. Hinsichtlich des regen Diskurses um das Stadtbild und das bauliche Erbe der Landeshauptstadt ist dieser Blick von außen bereichernd und zugleich ein Beitrag zur Diskussion. Dank gilt den beiden Kuratoren Prof. Dr.-Ing. Holger Schmidt und Dr.-Ing. Thomas Fischer sowie dem Autor des Potsdamer Ausstellungsteils Dipl.-Ing. Frank Peter Jäger, alle von der TU Kaiserslautern“, resümiert Dr. Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museum. Ein Begleitprogramm ergänzt die Ausstellung.

Mehr Informationen zur Sonderausstellung „Stadtwende“ finden Sie hier.