„Sozialer Wohnungsbau wird ausgebaut“

Union und SPD stellen Koalitionsvertrag für eine neue Bundesregierung vor

Der CDU-Parteivorsitzende und mögliche Bundeskanzler Friedrich Merz. Foto: Tobias Koch

Am 9. April haben die Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (SPD) den Koalitionsvertrag für eine künftige Bundesregierung vorgestellt. Nach positiven Voten des CSU-Parteivorstands, eines Kleinen Parteitags der CDU und eines Mitgliederentscheids bei der SPD könnte Merz in der Woche ab dem 5. Mai zum Bundeskanzler gewählt werden.

Das Ressort für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bleibt bei der SPD. Derzeit amtiert Klara Geywitz in diesem Ressort noch geschäftsführend. Auch das Justiz- und das Finanzministerium wandern zu den Sozialdemokrat:innen. Für Wirtschaft und Energie wird künftig die CDU zuständig sein.

Der Wohnungsbau werde massiv vorangetrieben, sagte SPD-Chef Klingbeil bei der Präsentation. Wir dokumentieren den Passus aus dem Koalitionsvertrag zum Thema Bauen und Wohnen, zur besseren Lesbarkeit mit zusätzlichen Überschriften der StadtSpuren-Redaktion versehen:

„Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, in der Stadt und im ländlichen Raum sind für uns gleichwertig. Wir kurbeln den Wohnungsbau und die Eigentumsbildung durch eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive an. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes wird der soziale Wohnungsbau als wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung ausgebaut.

Mieter müssen wirksam vor Überforderung durch immer höhere Mieten geschützt werden. Wir stärken die städtebauliche Entwicklung unseres Landes, gerade auch in den ländlichen Räumen, bekämpfen Leerstand in strukturschwachen Regionen, stärken Innenstädte und soziale Infrastrukturen und passen sie an Klimawandel sowie Barrierefreiheit an.

Baugesetzbuch mit Wohnungsbau-Turbo

Wir werden das Baugesetzbuch in zwei Schritten novellieren. In den ersten 100 Tagen werden wir einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Wohnungsbau-Turbos unter Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit vorlegen sowie Lärmschutzfestsetzungen erleichtern; zugleich werden die Vorschriften über den Umwandlungsschutz (§ 250 Baugesetzbuch) und die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert. In einem zweiten Schritt werden wir eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens vornehmen.

Milieuschutzgebiete

Um eine nachteilige Ausstrahlungswirkung auf die Umgebung zu vermeiden, wird das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien entsprechend gestärkt, der preislimitierte Vorkauf für solche Immobilien vereinfacht und die Umgehung von kommunalen Vorkaufsrechten bei Share Deals verhindert.

In Milieuschutzgebieten werden Vorhaben zur Herstellung von Barrierearmut und energetischer Sanierung sozialverträglich ermöglicht. Selbstnutzende Eigentümer werden wir von den Regelungen des Milieuschutzes ausnehmen.

TA Lärm und TA Luft

Die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm), das Bauplanungsrecht und die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) werden 727 weiterentwickelt, um Nutzungskonflikte zwischen Wohnen, Gewerbe und Landwirtschaft zu lösen.

Baustandards und Gebäudetyp E

Baustandards werden vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert. Die Bindungswirkung von Normsetzungen durch Selbstverwaltungsorganisationen wird überprüft und auf ein sicherheitsrelevantes Maß zurückgeführt. Um den Gebäudetyp E zivilrechtlich zu ermöglichen, wird eine gesetzliche Verknüpfung mit den technischen Baubestimmungen der Länder vorgenommen.

Das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik stellt künftig keinen Mangel mehr dar. Die unabhängige Stelle zur Kostenfolgeprüfung von DIN-Normen wird eingesetzt. Durch serielles, modulares und systemisches Bauen heben wir Beschleunigungspotenziale.

Steuerliche Maßnahmen

Zur Wohneigentumsbildung für Familien („Starthilfe Wohneigentum“), zur Neubauförderung und zur Sanierung bestehenden Wohnraums werden steuerliche Maßnahmen verbessert, eigenkapitalersetzende Maßnahmen geschaffen und die Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken geprüft.

Förderprogramme

Die Förderprogramme der KfW werden zu zwei zentralen Programmen zusammengeführt und vereinfacht: ein Programm für den Neubau und eines für die Modernisierung. Dabei setzen wir Anreize für einfaches, klimafreundliches und kostenreduziertes Bauen. Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital soll im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (zum Beispiel der KfW) und privatem Kapital ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau aufgelegt und auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften durch eigenkapitalentlastende Maßnahmen unterstützt werden.

Finanzierungskonditionen des Bundes

Wir wollen zudem die günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen zusammenbringen und werden daher zeitnah durch eine Beteiligung des Bundes, zum Beispiel durch Garantien, die Finanzierungskosten so senken, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR pro Quadratmeter entstehen können.

Klimaziele, GEG und EH55-Standard

Für die Erreichung der Klimaziele ist der Gebäudesektor zentral. Bezahlbarkeit, Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sind unsere Ziele für die Modernisierung der Wärmeversorgung. Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher.

Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden. Den Quartiersansatz werden wir stärken. Die Sanierungs- und Heizungsförderung werden wir fortsetzen. Die Kosten für energetische Sanierungen ererbter Immobilien werden künftig von der Steuer absetzbar.

Die Förderfähigkeit des EH55-Standards wollen wir zeitlich befristet zur Aktivierung des Bauüberhangs wiederherstellen. Die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen wir. Die nationalen Gebäudeeffizienzklassen im GEG werden mit unseren Nachbarländern harmonisiert. Spielräume bei der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) schöpfen wir aus. Für eine Verlängerung der Umsetzungsfristen setzen wir uns ein.

Wir führen eine Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung ein, ermöglichen notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen. Wir werden einen Aktionsplan biobasierte Baustoffe und einen Aktionsplan energieintensive Baustoffe erstellen.

Sozialer Wohnungsbau und Junges Wohnen

Investitionen in den sozialen Wohnungsbau werden schrittweise deutlich erhöht, in diesem Rahmen werden die Mittel für Junges Wohnen verdoppelt und Mittel für barrierefreies, altersgerechtes Wohnen zur Verfügung Für bewilligte Projekte werden schnell ausreichende Mittel zur Abfinanzierung zur Verfügung gestellt.

Um die „WG-Garantie“ für Auszubildende und Studierende zu erreichen, werden wir neben den zusätzlichen Investitionen in Junges Wohnen die Förderbestimmungen für den Belegungsankauf von Wohnraum für Auszubildende und Studierende öffnen. Der Verbraucherschutz zur Durchsetzung von Mieterrechten für junge Menschen wird gestärkt. Damit auch Auszubildende profitieren können, werden Beratungskompetenzen in einer Anlaufstelle für Auszubildenden-Wohnen auf Bundesebene gebündelt. Der Wohnungsbau soll aus den Beihilfevorschriften der EU ausgenommen werden.

Genossenschaften

Das genossenschaftliche Wohnen wird weiter gefördert, die Wohngemeinnützigkeit wollen wir mit Investitionszuschüssen ergänzen.

Wohngeld

Das Wohngeld wird mit den Ländern vereinfacht.

Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten wird für vier Jahre verlängert. Bis zum 31.12.2026 wird eine Expertengruppe mit Mieter- und Vermieterorganisationen die Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften, eine Reform zur Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift im Wirtschaftsstrafgesetz und eine Bußgeldbewehrung bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse vorbereiten. In angespannten Wohnungsmärkten werden Indexmieten bei der Wohnraumvermietung, möblierte und Kurzzeitvermietungen einer erweiterten Regulierung unterworfen.

Modernisierungsumlage

Über eine Änderung der Modernisierungsumlage werden wir dafür Sorge tragen, dass zum einen wirtschaftliche Investitionen in die Wohnungsbestände angereizt werden und zum anderen die Bezahlbarkeit der Miete künftig besser als jetzt gewährleistet bleiben kann. So lösen wir das Vermieter-Mieter-Dilemma. Die Wertgrenze bei Kleinmodernisierungen wird bis Ende 2025 auf 20.000 Euro angehoben.

Mieten und Vermieten

Die Nebenkosten für Mieterinnen und Mieter sollen transparenter und einfacher nachvollziehbar sein. Damit Vermieten wieder attraktiver wird, gilt: Wer günstig vermietet, wird steuerlich belohnt. Eine nationale Mietenberichterstattung wird eingeführt.

Wohnungslosigkeit

Der Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit wird umgesetzt. Um Obdachlosigkeit zu verhindern, soll die Schonfristzahlung einmalig eine ordentliche Kündigung abwenden können (Härtefallregelung).

Städtebauförderung

Die Städtebauförderung wird modernisiert und vereinfacht, Innovationen werden gefördert. Für Kommunen unter 100.000 Einwohnern können die Länder integrierte Stadtentwicklungskonzepte regeln. Das Finanzvolumen der Städtebauförderung wird schrittweise verdoppelt. Wir werden die Mittel für die Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung für die laufenden Maßnahmen verstärken und den zeitlichen Rahmen anpassen.

Digitalisierung

Building Information Modeling (BIM) wird zum zentralen Instrument der Digitalisierung des Bauwesens weiterentwickelt. Die Errichtung eines Bundesforschungszentrums für klimaneutrales und ressourceneffizientes Bauen beginnen wir gemeinsam mit den Ländern Sachsen und Thüringen sowie unter Einbeziehung der Kompetenzen anderer Länder und stellen eine verstetigte Finanzierung sicher. Wir stehen zum Berlin/Bonn-Gesetz und werden eine Zusatzvereinbarung abschließen. In Halle (Saale) wird das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ errichtet.“

Den kompletten Koalitionsvertrag können Sie hier herunterladen.