Mittelalterliche Gräber in der Potsdamer Mitte freigelegt

Archäologen schauen bei Grabungen in die Geschichte der Landeshauptstadt

Foto: LHP/Christine Homann

Bei den aktuellen Erschließungsmaßnahmen für das neue entstehende Stadtquartier an Stelle der ehemaligen Fachhochschule laufen derzeit bauvorbereitende archäologische Ausgrabungen. Dabei sind in einem circa 150 Quadratmeter großen Areal im künftigen Straßenraum westlich der Nikolaikirche bisher 15 Gräber gefunden, untersucht und geborgen worden.

Auf dem Areal eröffnet sich für die Archäologen ein Fenster in die Stadtgeschichte bis in die Zeit der deutschen Ortsgründung um das Jahr 1200. „Dass hier ein spätestens um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert angelegter Friedhof um die ehemalige Stadtkirche liegt, ist durch historische Quellen und frühere Ausgrabungen bekannt“, sagt Stadtarchäologin Gundula Christl. Gefunden wurden unter anderem Gräber, die in bis zu drei lagen übereinander liegen, sowie Sargreste. Die Ausgrabungen werden von Nicola Hensel von der Archäologie Manufaktur geleitet und von der Anthropologin Dr. Bettina Jungklaus begleitet. Ihre Forschungen werden Auskunft unter anderem über Altersstruktur, Ernährungszustand und Krankheitsbelastung der frühen Potsdamer geben.

„Die Ausgrabungen sind ein Fenster in die Geschichte Potsdams und zeigen, dass hier schon zum Ende des 16. Jahrhunderts ein ausgeprägter Bebauungsdruck herrschte. Da ist es schon eine kleine Sensation, wenn angesichts der umfangreichen Zerstörungen des Bodendenkmals durch spätere Bautätigkeiten eine Bestattungsfläche aus dem 13. Jahrhundert erhalten werden konnte. Umso wichtiger ist es folglich heute, mit den zur Verfügung stehenden Techniken und auch finanziellen Mitteln, ebensolche Fenster zu öffnen und die Erkenntnisse für nachkommende Generationen zu sichern,“ sagt der Baubeigeordnete für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt, Bernd Rubelt.

Einige Baubefunde aus dem 16. und 17. Jahrhundert zeigen, dass auch in der frühen Geschichte Potsdams gelegentlich dringend nach neuen Bauflächen in der Stadt gesucht wurde. Ein um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert angelegtes unterkellertes Gebäude greift in den älteren Friedhofsbereich ein, offenbar eine Verkleinerung des Bestattungsplatzes an dieser Seite. Eine Reihe großer Feldsteine lässt vermutlich den Verlauf der Friedhofsmauer aus dem 16. Jahrhundert erkennen.  Westlich vor ihr liegende Gräber gehören wohl zu einer frühen Belegungsphase vor der Verschiebung der Friedhofsgrenzen. Mit dem Abriss der mittelalterlichen Kirche für den 1721 begonnenen Neubau einer barocken Kirche, beides Vorgängerkirchen der Nikolaikirche, wurde der Friedhof endgültig geschlossen und vor die Stadt verlagert.

 

Hintergrund

Ende des zweiten Weltkrieges wurde der einzigartige barocke Stadtkern um den Alten Markt großflächig zerstört. In der Nachkriegszeit wurden die verbliebenen Gebäudereste abgerissen und ein neues Stadtzentrum geplant, bis zur politischen Wende 1989 waren die Pläne allerdings nicht vollständig umgesetzt. Bereits 1990 beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung daher die Wiederannäherung an das charakteristische, historisch gewachsene Stadtbild. 1999 wurde das Sanierungsgebiet „Potsdamer Mitte“ förmlich festgesetzt und damit neue Planungsziele zur Wiedergewinnung der historischen Stadtmitte ermöglicht. Seitdem ist Potsdams alte neue Mitte einer der bedeutendsten Transformationsräume der Stadt. Bei der künftigen Bebauung geht es um die künftige, ausgewogene, bunte Mischung bei der Nutzung der neuen Gebäude, um Stadtleben in einem dem Zentrum angemessenen Maßstab.

Auf dem Areal der ehemaligen Fachhochschule in der Potsdamer Mitte sollen in den kommenden Monaten und Jahren neue, lebhafte Quartiere für alle Menschen, ein urbanes Stadtzentrum mit dringend benötigten zusätzlichen Wohnungen, Platz für Gewerbetreibende, Cafés und Bars sowie öffentlichen Plätzen samt Kunst und Kultur entstehen.

An dem Neubauprojekt sind auch die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaften PWG 1956 und „Karl Marx“ beteiligt.

Quelle: Bereich Presse und Kommunikation der Landeshauptstadt Potsdam

24.09.2019