Bisheriges Handeln reicht für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums nicht aus, so die Verbände
Die Expertenkommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ hat am Montag auf einer Konferenz in Berlin eine Zwischenbilanz gezogen. Zum zweijährigen Bestehen der sogenannten Baulandkommission wurde über die bisherige Umsetzung ihrer Empfehlungen berichtet.
Nach der Zwischenbilanz aus Wohngipfel und Baulandkommission werden nun Forderungen aus der Wissenschaft laut: Die weiterhin angespannten Wohnungsmärkte erfordern den Einsatz zusätzlicher Instrumente durch Bund und Länder, heißt es. Anders sei die Wende hin zu bezahlbarem Wohnraum nicht zu schaffen.
Angesichts der nach wie vor bestehenden Unterversorgung mit bezahlbarem Wohnraum fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Mannheim, des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) und des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) vom Bund die Einrichtung eines Beteiligungsfonds für kommunale Wohnungsbauunternehmen und bessere Rahmenbedingungen für die Einrichtung kommunaler Bodenfonds.
Laut Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK, ist nicht erkennbar, dass sich infolge der Corona-Krise die Wohnungssituation in den Ballungsräumen und ihrem Umland entspannen wird. „Die sinkende Kapazitätsauslastung im Bausektor macht verstärkten öffentlichen Wohnungsbau auch konjunkturpolitisch sinnvoll. Es ist eine Chance, dass zusätzliche Baunachfrage nicht mehr unweigerlich zu höheren Preisen führt “, so Dullien. „Der öffentliche Wohnungsbau ist nicht nur eine wichtige Konjunkturstütze, er hat auch langfristig weitreichende soziale, wirtschaftliche und ökologische Effekte. Die Wohnungsnot in den Ballungsgebieten verdrängt Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen aus den attraktiven Stadtlagen und führt so zu einer Segregation, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden kann“, ergänzt Ricarda Pätzold, Wohnungsmarktexpertin am Difu.
Ein Beteiligungsfonds des Bundes, der über die Kreditanstalt für Wiederaufbau abwickelt werden sollte, soll demnach die Eigenkapitalbasis kommunaler Wohnungsunternehmen stärken. „Eine höhere Eigenkapitalquote stärkt die Refinanzierungs- und Investitionsfähigkeit beim Neubau bezahlbaren Wohnraums, bei solchen Unternehmen, bei denen das derzeit eine Restriktion darstellt. Ein Vorteil dieses Instruments liegt darin, dass der Beteiligungsfonds – im Gegensatz zu früheren Programmen – seine Förderung gezielt auf solche Wohnungsgesellschaften fokussieren kann, die bezahlbaren Wohnraum in angespannten Märkten schaffen“, so Tom Krebs, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.
Die Verfügbarkeit von Grund und Boden erweise sich momentan in nahezu allen Feldern der Stadtentwicklung – Wohnungsbau, Gewerbeentwicklung, soziale Infrastruktur etc. – als der „Flaschenhals“. Kommunale Bodenfonds seien ein zentrales Instrument gemeinwohlorientierter Wohnungspolitik. Arno Bunzel, Leiter des Forschungsbereichs Stadtentwicklung, Recht und Soziales am Difu stellt klar: “Kommunale Bodenfonds sind ein zentrales Instrument gemeinwohlorientierter Wohnungspolitik. Wir müssen deshalb ihre Wirksamkeit verbessern. Bund und Länder sollten ihre Grundstücke, für die sie keinen Eigenbedarf haben, in die jeweiligen kommunalen Bodenfonds einbringen. Dabei müssen die Vorschriften in der Verbilligungsrichtlinie des Bundes aus städtebaulicher Sicht weiterentwickelt werden.” Die finanzielle Situation der Kommunen müsse als das Haupthindernis für die Implementierung handlungsfähiger Bodenfonds bezeichnet werden. „Die Länder sollten die haushalts- und kommunalaufsichtsrechtlichen Regelungen für ihre Kommunen so ausgestalten, dass kommunale Bodenfonds adäquate Refinanzierungsbedingungen haben, die sich an ökonomischen Kriterien und nicht an tradiertem kameralen Haushaltsrecht orientieren”, so Carsten Kühl, Institutsleiter am Difu.
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, kritisiert die Ergebnisse ebenfalls: „Die Baulandkommission ist von den Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten überholt worden, vor allem im Zuge der Corona-Krise. Aktuell und in den kommenden Monaten verändern sich die Innenstädte infolge von Geschäftsschließungen massiv. Nur Förderung mit der Gießkanne für den Gewerbebereich bringt hier nichts, sie würde am Ende verpuffen. Stattdessen müssen die frei werdenden Gewerbeflächen zügig für andere Nutzungsarten umgewidmet werden können, insbesondere für das Wohnen. Das wäre eine sinnvolle Maßnahme für mehr bezahlbares Wohnen in den Innenstädten. Dafür ist es dringender denn je, dass das Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz endlich kommt. Denn die rechtlichen Voraussetzungen für eine schnelle Umnutzung innerstädtischer Gewerbeflächen stimmen in Deutschland nicht. B-Pläne müssen hierfür aufwändig überarbeitet werden. Das muss sich ändern und künftig deutlich schneller gehen.“ Für attraktivere Innenstädte brauche man ein stärkeres Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe. Dafür müssten aber auch die Immissionsrichtwerte entsprechend angepasst werden, so Gedaschko weiter. Er fordert: „Für mehr und schnelleres Bauen braucht es viel mehr Wumms bei Bund, Ländern und Kommunen.“
Auch der Deutsche Mieterbund (DMB) ist mit der Zwischenbilanz nicht zufrieden. DMB-Präsident Lukas Siebenkotten bewertet die Ergebnisse der Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ (Baulandkommission) bei der Zwischenbilanzkonferenz als unzureichend und verweist auf die nach wie vor großen Herausforderungen beim Bau von Sozial- und bezahlbaren Wohnungen. „Vor allem das Ziel, in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen Wohnungen zu bauen, wird mit weniger als 1,2 Millionen Wohnungen erkennbar verfehlt. Hinzu kommt, dass die Anzahl an Sozialwohnungen weiterhin dramatisch sinkt, aktuell auf den Stand von nur noch 1,14 Millionen Wohnungen. Hier sind auch die Kommunen in der Pflicht, die zur Verfügung gestellten Mittel abzurufen“, so Siebenkotten.
Die Baugesetzbuchnovelle geht aus Sicht des Deutschen Mieterbundes zwar in die richtige Richtung, droht jedoch momentan aufgeweicht zu werden. „Wir appellieren deshalb an CDU und CSU, den Entwurf aus dem eigenen CSU-geführten Innenministerium nun auch wie geplant durchzubringen“, fordert Siebenkotten.
Quellen: Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Deutscher Mieterbund (DMB), GdW Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft