BGH-Entscheidungen zu Eigenbedarf

Höhere Anforderungen an die Sozialklausel

Mit gleich zwei Urteilen verschärft der Bundesgerichtshof die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, wenn Mieter in Härtefällen von dem Recht der Sozialklausel Gebrauch machen wollen. In beiden Fällen hatte der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Landesgerichte aufgehoben und fordere ein Sachverständigengutachten.

Das Landesgericht Berlin hatte zugunsten einer 80-jährigen Mieterin mit Demenzerkrankung entschieden, die seit rund 45 Jahren in einer Mietwohnung lebte und sie aufgrund von Eigenbedarf räumen sollte. Im Urteil (VIII ZR 180/18) des Bundesgerichtshofes hieß es nun, das Landesgericht habe fehlerhaft entschieden. Das Interesse des Vermieters sei zu gering gewichtet worden. Der Gesundheitszustand der Mieterin müsse nun per Sachgutachten bemessen werden und das Landesgericht danach neu entscheiden.

In dem anderen Urteil (VIII ZR 167/17) handelt es sich um einen Fall aus Halle. Hier sah das Landesgericht den Eigenbedarf als gegeben und verurteilte die Mieter zur Räumung. Der Bundesgerichtshof begründete die Aufhebung des Urteils, dass „die durch Atteste belegten Härtegründe des Mieters bagatellisiert und versäumt“ worden seien.

Die Meinungen zu den Urteilen des Bundesgerichtshofes fielen unterschiedlich aus. Die Richtersprüche seien „alles andere als ein positives Signal für den Kündigungsschutz“, sagte Lukas Siebekotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB). Die Abwägung sei bisher dem Grundsatz gefolgt, dass Belange „auf Vermieterseite – Eigentum und freie Lebensgestaltung –und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Mieters den Mieterinteressen Vorrang einzuräumen“ sei.

„Wenn Mieter sich aufgrund ihres hohen Alters und schlechten Gesundheitszustandes gegen die Kündigung wehren und auf die Sozialklausel berufen, muss jetzt regelmäßig ein Sachverständigengutachten eingeholt werden“, kritisiert Siebenkotten. Aus gesetzlicher Sicht verstehe sich die Sozialklausel als „Gegenstück“ zur Kündigung. Wolle ein Vermieter den Mietvertrag aus Eigenbedarfsgründen kündigen, hätten Mieter die Möglichkeit sich auf die Sozialklausel zu berufen. Diese greife in Härtefällen. Als Gründe für Härtefälle galten bisher unter anderem lange Wohndauer und „Verwurzelung“, aber auch der Gesundheitszustand des Mieters. Dies sei mit den aktuellen Urteilen des Bundesgerichtshofs nun nicht mehr ohne weiteres gegeben. Wollten Mieter sich von nun an gegen eine Eigenbedarfskündigung schützen, müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Laut DMB-Direktor Siebenknotten „steigen die Chancen für Vermieter, eine Eigenbedarfskündigung durchzusetzen, deutlich.“

Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, verwies in seiner Stellungnahme auf eine interessensgerechte Abwägung:

„Die Entscheidung zwischen Eigenbedarf und sozialer Härte bedarf immer einer Abwägung im Einzelfall. Wer aber eine Wohnung kauft und später einem Mieter wegen Eigenbedarf kündigt, obwohl bereits zum Kaufzeitpunkt der ältere Mieter mit Demenzerkrankung dort lebt, ist in aller Regel nicht schutzwürdig. Dieser Punkt sollte möglicherweise bereits bei der Prüfung der Eigenbedarfskündigung selber stärker berücksichtigt werden. Dass aber das Vorliegen von Härtegründen beim Mieter ebenfalls genau zu prüfen ist, ist ebenso selbstverständlich. Eigenbedarf und Härtefall müssen interessengerecht abgewogen werden.“

Quellen: DMB, GdW