Bürgerbefragung: Potsdamer*innen leiden unter Corona

Untersuchung der Landeshauptstadt beleuchtet auch die Wohnsituation.

Grafik: Landeshauptstadt Potsdam

Kaum ein Thema hat die Menschen in den vergangenen zwei Jahren so sehr beschäftigt wie die Corona-Pandemie – auch in Potsdam. Erstmals zeigt nun eine Analyse des Bereichs Statistik und Wahlen, wie das pandemische Geschehen die verschiedenen Lebensbereiche der Potsdamerinnen und Potsdamer konkret beeinflusst hat. Für die Bürgerumfrage „Leben in Potsdam“ wurden von April bis Juni 2021 valide Daten zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Leben der Einwohner*innen ermittelt, ausgewertet und zu einem umfangreichen Erlebnisbericht verarbeitet.

Ihre Lebensqualität sehen die Teilnehmenden der Umfrage durch Corona erheblich eingeschränkt. Mit zunehmender Dauer der Pandemie nimmt der Anteil derjenigen, die eine „sehr stark“ verminderte Lebensqualität angeben, sogar weiter zu. Beklagten dies für die erste Welle der Pandemie von März bis Mai 2020 noch 17,4 Prozent, sind es für den Zeitraum April bis Juni 2021 schon 21,8 Prozent.

In allen abgefragten Lebensbereichen haben sich die Sorgen im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie vergrößert. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich vor Einsamkeit und sozialer Isolation zu fürchten (56,1 Prozent) oder dass persönliche Beziehungen unter der Situation leiden (57,1 Prozent). Darüber hinaus zeigt sich für alle abgefragten Kriterien des Gesundheitszustandes eine deutliche Verschlechterung im Jahr 2021 gegenüber 2018. Zusammengerechnet sind jeweils die Anteile von „sehr gut“ und „gut“ 2021 um mindestens zehn Prozentpunkte kleiner als noch drei Jahre zuvor.

 

Corona befördert Umzugswunsch

Lediglich 2,7 Prozent der Befragten gab an, dass ihre Wohnsituation während der Pandemie zur „sehr starken“ oder „starken“ Belastung geworden ist. Bei Teilnehmenden, die zur Miete wohnen, waren es 12,4 Prozent. Vergleichsweise hohe Anteile für diese beiden Antwortoptionen vergeben auch Haushalte mit vier oder mehr Personen, Alleinerziehende, die jüngste Altersgruppe unter 30 Jahre sowie Schüler/innen, Auszubildende und Studierende.

Je weniger Quadratmeter einer Person in der Wohnung bzw. im Haus durchschnittlich zur Verfügung stehen, desto größer ist der Wunsch umzuziehen. Bei Teilnehmenden, denen im Haushalt weniger als 25 Quadratmeter Wohnfläche pro Person zur Verfügung stehen, ist die Umzugsabsicht besonders häufig. Fast 38 Prozent von ihnen gibt an, dass sich aufgrund der Corona-Pandemie ihr Blick auf die Wohnsituation verändert hat und ein Umzug in Potsdam bzw. weg aus Potsdam infrage kommt. Bei einer Wohnungsgröße von 25 bis unter 35 Quadratmeter pro Person beträgt dieser Anteil 17,8 Prozent. Stehen einem Teilnehmenden mehr als 45 Quadratmeter zur Verfügung, so ist ein Umzugswunsch aufgrund der Corona-Pandemie vergleichsweise selten.

Bei Zweipersonenhaushalten ist der Umzugswunsch mit 10,9 Prozent am geringsten ausgeprägt. Leicht größer ist der Anteil bei Einpersonenhaushalten mit 12,8 Prozent. Mit in der Regel zunehmender Anzahl der Kinder im Haushalt nimmt die Umzugsabsicht zu. Bei Dreipersonenhaushalten kommt für 16,7 Prozent ein Umzug in Frage, bei Vierpersonenhaushalten sind es 17,9 Prozent und bei fünf oder mehr Personen im Haushalt sind es 19 Prozent.

Insbesondere für jüngere Teilnehmende ist eine Veränderung der Wohnsituation erstrebenswert. Fast 30 Prozent der unter 30- jährigen Teilnehmenden geben an, dass sie umziehen möchten. Bei den 30- bis unter 50-Jährigen sind es fast 21 Prozent und bei den 50- bis unter 65-Jährigen knapp 8 Prozent. Am geringsten ist der Anteil der Umzugswilligen mit 5 Prozent bei Teilnehmenden ab 65 Jahren.

Der Anteil der Umzugswilligen ist umso höher, desto niedriger das monatliche Haushaltsnettoeinkommen der Teilnehmenden ausfällt. Während für rund ein Viertel (25,3 Prozent) der Teilnehmenden mit einem Einkommen unter 1 000 Euro pro Monat ein Umzug gewünscht wird, sind es bei Teilnehmenden mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4 000 Euro pro Monat 11,2 Prozent.

In Sozialraum VI (Schlaatz, Waldstadt I und II, Potsdam Süd) gibt es mit 17 Prozent den höchsten Anteil an Umzugswilligen. Mit 5,4 Prozent fällt dieser Anteil in Sozialraum I (Nördliche Ortsteile, Sacrow) am kleinsten aus.

 

Mietverzug vor allem bei Geringverdiener*innen

Jeder zehnte Teilnehmende (9,9 Prozent), der während der Corona-Pandemie Einkommensverluste im eigenen Haushalt verzeichnen musste, hatte Schwierigkeiten die Miete fristgerecht zu bezahlen. Während Personen mit „geringeren“ Einkommenseinbußen kaum davon betroffen sind (3,5 Prozent), ist es bei denjenigen mit „deutlichen“ Verlusten etwas mehr als jeder Fünfte (20,4 Prozent).

Je höher das Nettoeinkommen dieses Einkommen ist, desto geringer ist der Anteil der Teilnehmenden, die ihre Miete nicht fristgerecht bezahlen konnten. Dieser beträgt bei Personen mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von 4 000 Euro oder mehr 2,5 Prozent, während es bei Haushalten mit einem Einkommen von unter 1 000 Euro mehr als ein Viertel ist (26,7 Prozent).

Zu der Gruppe, die über ein vergleichsweise geringes Einkommen verfügt, gehören die Studierenden. Sie hatten somit durchschnittlich häufiger Probleme, während der Corona-Pandemie die Miete fristgerecht zu zahlen. Dies trifft auf 25,8 Prozent der Studierenden zu.

14,8 Prozent der unter 30-Jährigen mit Einkommensverlusten geben an, dass sie Schwierigkeiten hatten, die Miete pünktlich zu entrichten. Umgekehrt fällt dieser bei den 30- bis unter 50-Jährigen mit 7,3 Prozent am niedrigsten aus.

Darüber hinaus ist der Anteil derjenigen, die Probleme hatten, die Mietzahlung fristgerecht zu entrichten, bei Ein-Personen-Haushalten mit einem Anteil von 17,0 Prozent deutlich höher als im Durchschnitt.

Stadtweit fällt dieser Anteil im Sozialraum VI (Schlaatz, Waldstadt I und II, Potsdam Süd) mit 15,1 Prozent am höchsten aus, während er im Sozialraum II (Potsdam Nord) mit 6,7 Prozent am niedrigsten ist.

 

Homeoffice und Homeschooling

Coronabedingte Umwälzungen im Beruf und im Studium zeigen sich in Potsdam ebenso deutlich: So haben zeitweise drei Viertel der Erwerbstätigen im Homeoffice gearbeitet und mehr als 80 Prozent der Studierenden ihr Studium in Distanz absolviert. Ein Viertel der Haushalte in Potsdam musste coronabedingte Einkommensverluste verkraften. Je höher hierbei das monatliche Haushaltsnettoeinkommen, desto geringer ist der Anteil derjenigen, die Einkommenseinbußen erleiden mussten. Gaben gut ein Drittel (33,7 Prozent) der Teilnehmenden mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1 000 Euro dies an, waren es bei Personen mit 4 000 Euro und mehr etwas weniger als ein Viertel (23,9 Prozent).

Hervorzuheben sind die Teilnehmenden mit schul- oder betreuungspflichtigen Kindern, die besonders unter Corona zu leiden haben. Mehr als 80 Prozent von ihnen empfanden die Situation der Schließung von Schulen und Einrichtungen der Kindertagesbetreuung als Belastung. Aufgefangen wurden die Betreuungslücken vorwiegend von den Frauen. Aufgeschlüsselt nach dem Merkmal Geschlecht übernahmen sie mit 24,6 Prozent die tägliche Betreuung der Kinder parallel zur Erwerbstätigkeitsausübung im Homeoffice doppelt so häufig wie Männer mit 12,1 Prozent. Sie erlebten folglich die Betreuungssituation während der coronabedingten Schließungen belastender als Männer.

Bezüglich der für das Homeschooling geeigneten Ausstattung der Haushalte geben 95,9 Prozent der befragten Eltern mit schulpflichtigen Kindern an, dass ihr Kind über einen Internetzugang verfügt. 94,9 Prozent haben Zugang zu einem PC, Laptop, Notebook oder Tablet und 71,5 Prozent leben mit einer Person zusammen, die ihnen in einigen Fächern Unterstützung und Hilfe bieten kann. Es kann festgestellt werden, dass Teilnehmende mit Migrationshintergrund das Vorhandensein all dieser Möglichkeiten häufiger verneinen als Personen ohne Migrationshintergrund.

 

Beeinträchtigung des Wohlbefindens

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus den Umfrageergebnissen ist, dass es vor allem die Jüngeren sind, bei denen die Belastungen stark gestiegen sind. Je jünger die Umfrageteilnehmenden, desto häufiger geben sie die Einschränkung ihrer Lebensqualität mit „sehr stark“ an. Beim allgemeinen Wohlbefinden und der seelischen Verfassung erzielt die jüngste Altersgruppe ebenfalls die schlechtesten Ergebnisse. Auch der Rückgang bei der sozialen Eingebundenheit im Vergleich zur Bürgerumfrage 2018 ist bei den unter 25-Jährigen beachtlich: Schätzten damals noch 76,4 Prozent diese als mindestens „gut“ ein, waren es bei der diesjährigen Bürgerumfrage 38,4 Prozent. Es ist auch die jüngste Altersgruppe, die am ehesten befürchtet, einsam oder sozial isoliert zu sein (41,5 Prozent) oder sich am häufigsten große Sorgen um die Gesundheit von Angehörigen und Freunden macht (46,9 Prozent).

Zum Erhebungszeitpunkt gaben 84,2 Prozent der Teilnehmenden an, entweder bereits geimpft worden zu sein oder sich impfen lassen zu wollen.

 

Den vollständigen Bericht können Sie hier herunterladen.